Alte Meister: Komödie (German Edition)
längere Zeit aushält, sein Geschriebenes nicht zu veröffentlichen, der nicht neugierig darauf ist, was die Öffentlichkeit zu seinem Geschriebenen sagt, ich brenne immer darauf, sagte Reger, obwohl ich immer sage, ich brenne nicht darauf, es interessiert mich nicht, ichbin auf die Meinung der Öffentlichkeit nicht neugierig, brenne ich darauf, ich lüge natürlich, wenn ich sage, ich brenne nicht darauf, wo ich doch immerfort darauf brenne, ich gebe zu, ich brenne immer darauf, unausgesetzt, sagte er. Ich will wissen, was die Leute zu dem, das ich geschrieben habe, sagen, sagte er, jederzeit und von allen will ich es wissen, während ich doch immerzu sage, es interessiert mich nicht, was die Leute dazu sagen, ich sage, es interessiert mich nicht, es läßt mich kalt, brenne ich doch die ganze Zeit darauf und erwarte nichts mit einer größeren Angespanntheit, sagte er. Ich lüge, wenn ich sage, mich interessiert die öffentliche Meinung nicht, mich interessieren meine Leser nicht, ich lüge, wenn ich sage, ich will gar nicht wissen, was über das, das ich schreibe, gedacht wird, ich lese nicht, was darüber geschrieben wird, da lüge ich, da lüge ich auf die ganz gemeine Weise, sagte er, denn ich brenne ununterbrochen darauf, was die Leute über das, das ich geschrieben habe, sagen, ich will es immer und jederzeit wissen und ich bin, gleich was die Leute über mein Geschriebenes sagen, betroffen davon, das ist die Wahrheit. Natürlich, ich höre nur, was die Timesleute dazu sagen und nicht immer sagen sie nur das Schmeichelhafte, sagte Reger, aber was Sie betrifft, sozusagen als philosophierender Schriftsteller, müßte es Sie doch genauso brennend interessieren, was die Leute über Ihr philosophierendes Geschriebenes sagen, was sie darüber denken, das verstehe ich nicht, daß Sie Ihr Geschriebenes nicht wenigstens auszugsweise veröffentlichen, nur um einmal in Erfahrung zu bringen, was die Öffentlichkeit, was sozusagen die öffentliche Kompetenz darüber denkt, auch wenn ich gleichzeitig sage, daß es eine solche öffentliche Kompetenz nicht gibt, Kompetenz gibt es ja nicht einmal, hat es nie gegeben, wird es nie geben; aber bedrückt es Sie denn nicht, zu schreiben und zu schreiben und zu denken und zu denken und das Gedachte zu schreiben und immer wieder zu schreiben und alles ganz ohne Echo?, sagte er. Sicher entgeht Ihnen durch das bornierteNichtveröffentlichen vieles, sagte er, und vielleicht sogar das Entscheidende. Sie schreiben jetzt schon Jahrzehnte an Ihrer Arbeit und Sie sagen, Sie schreiben diese Arbeit nur für sich selbst, das ist ja fürchterlich , niemand schreibt eine Schreibarbeit für sich selbst, das ist gelogen, wenn einer sagt, er schreibt sein Geschriebenes nur für sich selbst, aber Sie wissen genausogut wie ich, daß niemand verlogener ist, als die Schreibenden, die Welt kennt, seit sie besteht, keinen Verlogeneren als den Schreibenden, keinen Eitleren und keinen Verlogeneren, sagte Reger. Wenn Sie wüßten, was das wieder für eine entsetzliche Nacht gewesen ist, immer wieder aufgestanden mit fürchterlichen Krämpfen von den Zehen über die Waden herauf bis in den Brustkorb hinein wegen der herzbedingten Entwässerungspillen, die ich einnehmen muß. Ich befinde mich in einem Teufelskreis, sagte er. Jede Nacht ist mir vergraust, immer, wenn ich glaube, jetzt kann ich einschlafen, habe ich wieder diese Krämpfe und ich muß aufstehen und im Zimmer hin und her gehen. Die ganze Nacht bin ich mehr oder weniger hin und her gegangen und habe ich nicht einschlafen können, bin ich gleich wieder von diesen Alpträumen, die ich Ihnen angedeutet habe, aufgewacht. In diesen Alpträumen träume ich von meiner Frau, es ist entsetzlich. Seit ihrem Tod habe ich diese Alpträume, unausgesetzt, ich habe sie jede Nacht. Glauben Sie mir, ich denke beinahe immer, ob es nicht besser gewesen wäre, ich hätte mit dem Tod meiner Frau selbst Schluß gemacht. Diese Feigheit verzeihe ich mir nicht. Dieses fortgesetzte, ja schon krankhafte Selbstbejammern ist mir unerträglich, aber ich komme nicht heraus, sagte er. Wenn es wenigstens ein anständiges Konzert im Musikverein gäbe, sagte er, aber das Winterprogramm ist entsetzlich, es wird nur Abgestandenes, Abgedroschenes gespielt, immer wieder diese mir schon auf die Nerven gehenden Mozartkonzerte und Brahmskonzerte und Beethovenkonzerte, alle diese Mozart- und Brahms- und Beethovenzyklen sind ja nicht mehr auszuhalten. Und in der Operherrscht der
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