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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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verständigt, wäre meine Frau nicht erst eine Stunde nach ihrem Sturz ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gekommen und hätten die Chirurgen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, das der katholischen Kirche gehört, nicht die Operation verpfuscht, so Reger damals im Ambassador. Die Stadt Wien und der österreichische Staat und die katholische Kirche sind am Tod meiner Frau schuld, sagte Reger im Ambassador, dachte ich neben ihm auf der Bordone-Saal-Sitzbank sitzend, denke ich. Die Stadt Wien streut den Weg zum Kunsthistorischen Museum nicht an einem Tag, an welchem alles eisglatt ist und das Kunsthistorische Museum verständigt die Rettung nur nach wiederholter Aufforderung und die Chirurgen der Barmherzigen Brüder verpfuschen schließlich die Operation und am Ende ist meine Frau tot, sagte Reger im Ambassador. Wir verlieren den Menschen, den wir am innigsten von allen Menschen geliebt haben nur durch die Nachlässigkeit der Stadt Wien und durch die Nachlässigkeit des österreichischen Staates und durch die Fahrlässigkeit der katholischen Kirche, sagte Reger damals im Ambassador. Wir verlieren unseren wichtigsten Menschen, weil Stadt und Staat und Kirche fahrlässig und gemein gehandelt haben, so Reger damals im Ambassador. Es stirbt uns der Mensch, mit dem wir beinahe vierzig Jahre mit der größten Selbstverständlichkeit und in Ehrfurcht und Liebe unser Leben geteilt haben, weil Stadt und Staat und Kirche fahrlässig und gemein gehandelt haben, so Reger damals im Ambassador. Unser einziger Mensch stirbt uns, weil Stadt und Staat und Kirche fahrlässig und gemein vorgegangen sind, so Reger damals im Ambassador. Wir werden von dem einzigen Menschen, den wir im Grunde gehabt haben, plötzlich alleingelassen, weil Stadt und Staat und Kirche kopflos und unverantwortlich gehandelt haben, so Reger damals im Ambassador. Wir sind urplötzlich von dem Menschen getrennt, dem wir im Grunde alles verdanken und der uns tatsächlich alles gegebenhat, sagte Reger damals im Ambassador. Wir sind aufeinmal ohne den Menschen in unserer Wohnung allein, der uns mit der größten Sorgfalt jahrzehntelang am Leben erhalten hat, weil Stadt und Staat und katholische Kirche das Verbrechen der Nachlässigkeit begangen haben, so Reger damals im Ambassador. Wir stehen aufeinmal am offenen Grab jenes Menschen, ohne den zu leben, wir uns niemals haben vorstellen können, sagte Reger damals im Ambassador, denke ich. Die Stadt Wien und der Staat Österreich und die katholische Kirche sind schuld daran, daß ich jetzt allein bin und lebenslänglich allein zu bleiben habe, sagte Reger damals im Ambassador. Der Mensch, der immer gesund gewesen ist und der alle nur denkbaren Vorzüge eines intelligenten und weiblichen Menschen gehabt hat und tatsächlich der liebevollste in meinem Leben gewesen ist, stirbt mir weg, nur weil die Stadt Wien den Weg zum Kunsthistorischen Museum nicht streut, nur weil das Kunsthistorische Museum, das dem Staat gehört, die Rettung nicht zeitgerecht verständigt und weil die Chirurgen des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder die Operation verpfuschen, so Reger damals im Ambassador. Über hundert Jahre hätte meine Frau leben können, davon bin ich überzeugt, wenn die Stadt Wien den Weg zum Kunsthistorischen Museum gestreut hätte, so Reger damals im Ambassador. Und sie wäre sicher heute noch am Leben, wenn das Kunsthistorische Museum die Rettung zeitgerecht verständigt hätte und wenn die Chirurgen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder die Operation nicht verpfuscht hätten. Im Grunde hätte ich ja das Kunsthistorische Museum gar nicht mehr betreten dürfen, so Reger, nachdem er es sieben Monate nach dem Tod seiner Frau wieder betreten hatte. Jetzt wird der Weg zum Kunsthistorischen Museum gestreut, jetzt, wo meine Frau tot ist, sagte Reger. Ausgerechnet in das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder haben sie meine Frau gebracht, ausgerechnet in dieses Krankenhaus, von welchem ich niemals etwas Gutes gehörthabe, so Reger. Alle diese Krankenhäuser, die in ihrem Titel das Wort Barmherzigkeit haben, sind mir zutiefst zuwider, so Reger. Das Wort Barmherzigkeit wird wie kaum ein anderes Wort mißbraucht, sagte Reger. Die barmherzigen Krankenhäuser sind die unbarmherzigsten, die ich kenne, so Reger, in ihnen herrscht doch meistens nur die Kunstlosigkeit und die Habgier neben der ganz gemeinen und niedrigen Gottesheuchelei, so Reger damals im Ambassador. Jetzt ist mir nurmehr noch das Ambassador geblieben, so

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