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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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so scheußlich und so niedrig ist. Noch nie hat es eine so scheußliche und niedrige österreichische Gesellschaft mit einem so scheußlichen und niedrigen Staat in diesem Land gegeben, sagte Reger, aber niemand in diesem Staat und in diesem Land empfindet das als Schande, niemand lehnt sich wirklich dagegen auf, so Reger. Der Österreicher hat immer alles hingenommen, gleich was es war und war es die größte Scheußlichkeit und die größte Niedrigkeit und war es die ungeheuerlichste aller Ungeheuerlichkeiten, so Reger. Der Österreicher ist alles andere als ein Revolutionär, weil er überhaupt kein Wahrheitsfanatiker ist, der Österreicherlebt seit Jahrhunderten schon mit der Lüge und hat sich daran gewöhnt, so Reger, der Österreicher ist schon jahrhundertelang mit der Lüge die Ehe eingegangen, mit jeder Lüge, so Reger, aber mit der Staatslüge zutiefst und zuallererst. Die Österreicher leben ganz selbstverständlich ihr gemeines und niedriges Österreicherleben mit der Staatslüge, sagte Reger, das ist an ihnen das Abstoßende. Der sogenannte liebenswürdige Österreicher ist ein abgefeimter opportunistischer Fallensteller, so Reger, der immer und überall seine opportunistischen Fallen stellt, der sogenannte liebenswürdige Österreicher ist der Meister der hundsgemeinen Gemeinheit, unter seiner sogenannten Liebenswürdigkeit ist er der niederträchtige und schamlose und rücksichtslose Mensch und ist eben dadurch der verlogenste, so Reger. Bin ich zeitlebens ein fanatischer Zeitungsleser gewesen, so Reger, ist es mir jetzt schon beinahe unerträglich, die Zeitungen aufzumachen, weil sie doch nur voller Skandale sind. Aber wie die Zeitungen, so die Gesellschaft, die die Zeitungen abdrucken, so Reger. Da können Sie ein ganzes Jahr danach suchen, Sie werden keinen geistvollen Satz in irgendeinem dieser Scheißblätter finden, sagte Reger. Aber was sage ich Ihnen, wo Sie doch mit allem Österreichischen so vertraut sind, sagte Reger. Ich bin aufgewacht heute und habe an den Ministerskandal gedacht und ich bringe diesen Ministerskandal nicht aus meinem Kopf, das ist ja die Tragödie meines Kopfes, sagte Reger, daß ich diese Skandale und vor allem diese politischen Skandale nicht aus meinem Kopf herausbringe, diese Skandale fressen sich immer tiefer in meinen Kopf hinein, das ist die Tragödie. Ich denke, ich muß alle diese Skandale und Scheußlichkeiten aus meinem Kopf herausbringen und diese Scheußlichkeiten und Skandale fressen sich immer tiefer in meinen Kopf hinein. Aber natürlich beruhigt es mich, wenn ich mit Ihnen über alles das und gerade auch über diese politischen Scheußlichkeiten und Skandale debattiere, jeden Tag in der Frühe denke ich, wie gut, daß ich dasAmbassador habe, um mit Ihnen debattieren zu können und natürlich nicht nur über die Skandale und über die Scheußlichkeiten, denn naturgemäß gibt es ja auch noch etwas anderes, etwas Erfreulicheres, die Musik beispielsweise, so Reger. Solange ich noch Lust habe, über die Sturmsonate zu sprechen oder über die Kunst der Fuge, so lange gebe ich ja nicht auf, sagte Reger. Die Musik rettet mich ja immer wieder, die Tatsache, daß die Musik in mir immer noch lebt und sie lebt ja in mir wie am ersten Tag, so Reger. Durch die Musik aus allen Scheußlichkeiten und Widerwärtigkeiten jeden Tag aufs neue herausgerettet, sagte er, das ist es, durch die Musik jeden Tag in der Frühe doch wieder zu einem denkenden und fühlenden Menschen gemacht, verstehen Sie!, sagte er. Ach ja, sagte Reger, wenn wir sie auch verfluchen und wenn sie uns auch manchmal als völlig überflüssig erscheint und wenn wir sagen müssen, sie ist ja auch nichts wert, die Kunst, wenn wir wie hier, diese Bilder dieser sogenannten Alten Meister betrachten, die uns sehr oft und naturgemäß mit den Jahren immer gründlicher als nutz- und zwecklos erscheinen, auch als nichts anderes als hilflose Versuche, sich an der Erdoberfläche kunstvoll zu etablieren, so rettet Unsereinen doch nichts anderes als eben diese verfluchte und verdammte und oft bis zum Erbrechen widerwärtige und fatale Kunst, so Reger. Der Österreicher ist immer ein gescheiterter Mensch, sagte Reger, und er ist sich zutiefst bewußt, daß er das ist. Das ist die Ursache aller seiner Widerwärtigkeiten, seiner Charakterschwäche, denn vor allen anderen Widerwärtigkeiten ist der Österreicher charakterschwach. Das macht ihn aber auch viel interessanter als alle andern, so Reger. Der Österreicher ist

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