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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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wirkten wesentlich massiver. Ganz sicher musste man hier nicht so sparsam mit Rohstoffen umgehen und konnte wesentlich mehr Stahl verarbeiten. Es war nur eine Kleinigkeit, die mich trotz allem wieder an das entbehrungsreiche Leben in Europa erinnerte. Eigentlich hatten wir alles und dennoch verzichten wir auf so vieles und schon so lange, dass man es gar nicht mehr wahrnahm. Sicherlich hätten wir alle schlechter leben können, doch diese Opfer auch noch erbringen zu müssen, während man sein Leben in einem Käfig verbrachte war einfach zu viel verlangt. Was wir gleich sehen würden konnte alles sein, was ich mir unter einem freien Leben vorgestellt hatte, oder nur ein anderes Extrem. Zumindest in diesem Augenblick war ich einfach nur gefesselt von jedem neuen Eindruck. Wir hatten den Stützpunkt noch gar nicht verlassen und ich war bereits erstaunt von den Unterschieden. Radu war immer dicht an meiner Seite und behielt alles im Auge. Wenn ihn der Anblick so faszinierte wie mich, dann ließ er es sich nicht anmerken. Ich folgte seinem Blick und sah, dass er Emil Sormansk im Auge behielt. Er hatte uns aus dem Raum abgeholt, nur wenige Minuten nach dem Ibrahim verschwunden war. Rubinov hatte bereits angekündigt, dass er uns begleiten würde. Kaum hatte ich ihn erblickt, war meine Skepsis ihm gegenüber wieder da. Die Art und Weise wie er jeden musterte und immer wieder seinen Kopf hin und her bewegte, dabei die Schultern anspannend, wie ein Geier, der losfliegen wollte. Und ihn umgab auch eine ganz ähnliche Aura. Etwas geheimnisvolles, doch nicht im guten Sinne. Viel mehr wie ein Totengräber, der mehr gesehen hatte, als er sollte. Einfach unheimlich. Wir folgten ihm bis zu einer Stelle des Fuhrparks, an der ein bewaffneter Soldat auf uns wartete.
             „Wir werden Sie auf zwei Fahrzeuge aufteilen. Paarweise. Wie auch immer es Ihnen am besten gefällt.“ Ich verstand nicht wieso, aber bevor ich irgendwelche Einwände erheben konnte, hatte Radu schon seine Hand auf meine Schulter gelegt und schob mich zum vorderen Wagen. Ich blickte noch einmal zurück und sah, dass Gry und Veit mit dem Soldaten in das andere Fahrzeug stiegen. Zu meiner Überraschung saß bereits jemand am Steuer. Ebenfalls ein Mann in Uniform. Kaum waren wir alle eingestiegen, ging die Fahrt auch schon los. Mit jedem Meter, den der Wagen zurücklegte, wurde ich etwas aufgeregter. Ich saß mit Radu hinten, während Emil es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht hatte. Die Fenster des Wagens waren nicht aus normalem Glas. Man konnte hinaus sehen aber nicht hinein, so wie bei den Zügen in Europa. Ich fragte mich, ob die Technik die gleiche war. Vor uns öffnete sich ein großes Tor und wir verließen den Stützpunkt. Das grelle Licht der Sonne wurde zwar durch das spezielle Glas gut zurückgehalten, ich musste aber dennoch die Augen zusammenkneifen. Als ich das letzte Mal draußen war, hatte die Sonne schon seit Wochen nicht mehr wirklich geschienen und die letzten Tage hatte ich in einem fensterlosen Bunker verbracht. Es war erstaunlich, wie schnell man sich damit abfand, von der Sonne abgeschirmt zu sein, aber noch erstaunlicher, was es mit einem anstellte, wenn man ihr dann doch wieder ausgesetzt wurde. Man realisierte ganz schlagartig, welchen enormen Einfluss die Sonnenstrahlen auf die Psyche hatten. Sie hoben einen grauen, schweren Schleier von der Seele, von dem man nicht einmal registriert hatte, dass er da war.
    Langsam gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich drehte mich auf meinem Sitz zur Seite um zurückzublicken. Hinter uns war der Wagen mit Gry und Veit und dahinter war der Militärstützpunkt. Der Anblick war irgendwie enttäuschend und zugleich ernüchternd. Ich war darin schier endlose Gänge rauf und wieder runter gelaufen, der Komplex musste riesig sein aber oberirdisch war davon kaum etwas zu sehen. Nur ein paar Streifen Beton, die nach wenigen Metern im Boden verschwanden. Kein Wunder, dass Fenster überflüssig waren. Ich drehte mich wieder herum und sah nach vorne. Vor uns lag Nichts. Sandiger Boden und vertrocknetes Gras zu beiden Seiten. Gelegentlich ein toter Baum und die Straße, auf der wir fuhren. Eine trostlose Prärielandschaft, die einen augenblicklich in eine gedrückte Stimmung versetzte. Selbst die strahlende Sonne konnte den Trübsinn nicht vertreiben, den dieser Anblick erweckte. Das war also Russland. Es war enttäuschend und ich hoffte innerlich, dass sich die Landschaft noch verändern

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