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ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

ALTEA (Sturmflut) (German Edition)

Titel: ALTEA (Sturmflut) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Suslik
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werden. Dafür legte ich eine Menge falscher Spuren und ließ den Hausbesitzer überall nach mir suchen, nur nicht dort, wo ich wirklich war, um es ganz bildlich auszudrücken. Wie ich an dieses Wissen gekommen war, hatte ich dabei schon fast vergessen. Irgendwann musste ich aus Langeweile darauf gestoßen sein und hatte einfach nicht mehr aufgehört. Es hatte mir eine Herausforderung gegeben, die der Unterrichtsstoff der Schule mir damals schon lange nicht mehr bot. Je verflochtener die Arbeit war desto mehr ging ich darin auf. Plötzlich existierte um mich herum nichts mehr. Es war ein Raum, in dem ich mich von all den Gedanken frei machen konnte, die mich sonst unaufhörlich beschäftigten. Nichts daran konnte mich wirklich anstrengen oder aus der Ruhe bringen. Es gab immer einen Weg, eine Lösung für alles, denn ich kannte alle Möglichkeiten.
    Nach dem letzten Durchlauf wurde der Bildschirm einfach schwarz und ich sah erst dann, dass mehr als sechs Stunden vergangen waren.
             „Wie oft muss ich das noch machen?“ Ich liebte es zwar, der Realität um mich herum wenigstens für eine Weile entkommen zu können, es war allerdings auch sehr frustrierend, denn nichts von alledem bewirkte wirklich etwas. Nach jeder Simulation begann nur wieder eine neue und alles, was ich geschafft hatte, war binnen einer Sekunde wertlos. Ich mochte dieses Gefühl nicht. Noch in Europa hatten meine Aktionen zwar nicht viel bewirkt, aber ich konnte das Ergebnis meiner Bemühungen zumindest für eine kurze Weile sehen und daran glauben, dass sie etwas ausrichteten.
             „So oft, wie wir es dir sagen.“ Entgegnete mir Ibrahim platt auf meine Frage. Mit diesen Worten erhob er sich und führte mich wieder aus dem Raum. Ich hatte mit genau solch einer Antwort gerechnet und ich fragte mich nur selbst, warum ich nicht einfach den Mund gehalten hatte.
    Ibrahim brachte mich zurück auf mein Zimmer und ich rechnete fest damit, dass das nun meine neue Routine für die nächsten Tage oder auch Wochen sein würde. Tägliches Training, isoliert von den anderen. Selbst Anna kam scheinbar nicht mehr zu mir. Vielleicht hatte sie wichtige Dinge zu erledigen, aber die wahrscheinlichere Antwort war, dass man sie nicht zu mir ließ. Warum auch immer. Ich legte mich in meinen Sachen ins Bett und rollte mich zu einem kleinen Ball zusammen. Das Gefühl fremd in meinem eigenen Körper zu sein hielt noch an. Seit zwei Nächten hatte ich praktisch nicht mehr geschlafen, trotzdem fühlte ich mich fast gar nicht erschöpft oder müde. Ich aß sogar weniger, denn auch hungrig war ich nie so wirklich. Ich begriff nicht, was mit mir los war und starrte auf die Tabletten, die neben mir auf dem Nachttisch lagen. Das letzte Mal hatte ich mich körperlich schlecht gefühlt, als ich eine dieser Tabletten genommen hatte. Danach wurde es stätig besser. Mein Zusammenbruch war die einzige Ausnahme, doch selbst das zählte nicht wirklich. Denn trotz allem war etwas besser geworden. Ich fühlte wieder. Bevor die Tränen zurückgekommen waren, hatte ich mich nur noch stumpf gefühlt. Auf die eine oder andere Art, war es also sogar positiv. Lag es vielleicht wirklich an den Medikamenten, die man mir gegeben hatte, dass es mir so schlecht ging? Was war überhaupt in diesen Tabletten? Sie hatten mich in einen derartig tiefen Schlaf gerissen, das es eher an ein Koma erinnert hatte. Ich dachte ernsthaft darüber nach, doch verwarf diese Idee an einem gewissen Punkt wieder. Es konnten nicht die Medikamente sein. Es ging mir auch davor körperlich schlecht und die Emotionsleere existierte auch schon länger. Ich schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Es klappte nicht. Erst Stunden später fiel ich für einige Zeit in einen ruhelosen Dämmerschlaf, voller Erinnerungen an Zuhause, die Todesstadt, den Streit mit Radu und Aljoscha.

 
    Ich hatte mich nicht geirrt. Die nächsten drei Tage liefen alle nach exakt demselben Schema ab. Es war immer Ibrahim, der mich abholte und das Training mit mir durchführte. Darüber hinaus hatte ich zu niemandem Kontakt. Jegliche Konversation beschränkte sich auf ein Minimum und ich erwartete auch nicht mehr in nächster Zeit jemanden zu treffen. Ich hatte eine Aufgabe und auf diese arbeitete ich hin. Etwas Anderes war jetzt nicht wichtig. Ich hatte dieses Schicksal selbst gewählt. Ich hatte in all dies eingewilligt und Emil hatte zumindest bis zu einem gewissen Punkt Recht. Alle meine Bedingungen wurden

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