ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
„Die Anderen werden nur auch gerade geschult, genauso wie du. Sie haben sich alle freiwillig dem STEA angeschlossen und wollen die anstehende Mission begleiten. Glücklicherweise haben sie auch alle recht hilfreiche Fähigkeiten, die bestimmt noch mal nützlich sind.“
Also doch. Radu war nicht mehr gekommen, weil er nicht wollte. Sonst hätte ihn auch das Training nicht davon abgehalten. Diese Erkenntnis war wie ein Tritt in die Magengrube. Obwohl ich diejenige war, die den Streit so aggressiv hatte enden lassen, verletzte mich diese Einsicht zutiefst. Es geschah mir recht. Ich spürte nun selbst, was ich Radu hatte spüren lassen. Es tat verdammt weh. Ich schloss die Augen einen Moment und versuchte meine Fassung wiederzufinden.
„Was ist mit Anna?“ Sein Lächeln bekam bei dieser Frage einen schuldbewussten Knick.
„Da ich die letzten Tage leider nur nutzlos rumlag, hat sie die gesamte Planung der Mission übertragen bekommen. Sie ist ziemlich beschäftigt, aber sobald sie Zeit hat, wird sie wieder zu dir kommen.“
„Was diese ‚Mission‘ angeht, was genau-„
„Dazu kann ich dir jetzt noch nichts Genaues sagen, aber du wirst noch alles rechtzeitig erfahren. Das garantiere ich dir.“ Unterbrach er mich in einem entschuldigenden Ton.
„…Okay.“
Was sollte ich auch anderes sagen? Ich brannte darauf Antworten zu bekommen, doch scheinbar lautete der generelle Befehl mir darüber keine Auskunft zu erteilen.
„Wollen wir dann los? Wir haben heute schließlich noch ein Training zu absolvieren.“ Ich hatte noch tausend weitere Fragen, aber mir dämmerte, dass diese wohl bis später warten mussten. Ich folgte ihm mit einem Schritt Entfernung und war mir ganz sicher, auch seinen Herzschlag hören zu können.
10
Mit Aljoscha schien die Zeit auch bei den Schießübungen und dem Ausdauertraining viel schneller zu vergehen. Zwar blieb auch er während der ganzen Zeit professionell und sprach nur wenig mit mir, aber es war seine bloße Anwesenheit, die mir eine gewisse Ruhe gab. Meine Leistung war nicht besser als die Tage zuvor, es fiel mir einfach nur alles leichter. Ich hatte auch zum ersten Mal das Gefühl tatsächlich zufriedenstellende Ergebnisse zu erbringen, denn er wirkte bei allem sehr zufrieden und korrigierte mich kaum. Mir war klar, wie kindisch es war nach seiner Bestätigung zu suchen, doch die Unsicherheit über meine Fortschritte hatte mich die letzten Tage sehr beschäftigt. Ich wollte schnell alles Nötige lernen, um bereit für die nächsten Schritte zu sein. Ich wollte diesem Bunker endlich entkommen und vor allem, wollte ich endlich etwas tun. So leid war ich es einfach, nur zu warten und mich Tag für Tag zu beweisen ohne die geringste Ahnung, ob ich den Erwartungen gerecht wurde. Verdammt, ich kannte die Erwartungen nicht einmal! Als ich hier ankam, hatte ich das Gefühl, alles unter Kontrolle haben zu können, doch dieses Gefühl war längst verschwunden. Ich fühlte mich nur noch isoliert und auch gedemütigt und langsam machte mich das verrückt. Ich hoffte, dass mit Aljoschas Rückkehr auch das endlich ein Ende haben würde. Sicher war ich mir jedoch nicht, denn eine große Sache stand noch im Raum. Ich musste mit ihm über die Dinge sprechen, die Radu mir erzählt hatte. So sehr ich Aljoscha auch vertraute, das durfte nicht unausgesprochen bleiben. Ich wollte die ganze Wahrheit wissen und mir selbst ein Bild von allem machen. Radu hatte mit Sicherheit nicht gelogen, aber er hatte vermutlich auch nicht die ganze Wahrheit erzählt. Wahrscheinlich kannte er auch nicht jedes Detail, das dazu nötig war. Nur Aljoscha konnte Licht ins Dunkel dieser Situation bringen. Während der Schießübungen machte ich mir Gedanken, wann und wo ich das alles ansprechen konnte. In meinem Zimmer schienen keine Kameras zu sein, doch sicher war ich mir nicht. Ich wollte einfach nicht, dass jemand unser Gespräch mitverfolgen konnte. Mir war zwar schon vorher der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht unter ständiger Beobachtung war, vielleicht auch abgehört wurde, nur erschien es mir bis jetzt sinnlos, etwas dagegen zu unternehmen. Und auch sehr unmöglich. Man ließ mich schließlich kaum aus meinem Zimmer oder aus den Augen. Jetzt musste ich eine Möglichkeit finden, weil das Gespräch mit Aljoscha nicht für andere Ohren bestimmt
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