ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
gerichtet.
„Was soll das Gry?“ Ich sagte es mit ruhiger Stimme und so emotionslos, wie ich konnte. Sie war bereits völlig aufgebracht und ich wollte es nicht noch schlimmer machen.
„Wenn du das tust. Wenn du Europas Schutzschild deaktivierst, dann werden hunderttausende, vielleicht Millionen, Menschen sterben. Ich kann das nicht zulassen. Ich- ich habe mein Leben der Aufgabe verschrieben Menschen zu retten. Ich kann sie nicht sterben lassen.“
„Sie brauchen eine Wahl.“ Ich blieb ganz ruhig. Ich sah in ihren Augen, dass sie das nicht tun wollte. Gry hatte es nicht in sich einen Menschen mit einer Waffe zu bedrohen. Ich konnte sie überzeugen. „Jetzt sterben auch Menschen. Sie müssen befreit werden. Dann kann man ihnen helfen.“ Versuchte ich ihr mit aller Vernunft klar zu machen.
„Aber nicht so! Die Regierung wird sich nicht ergeben! Das weißt du so gut wie ich. Das ist ein frommer Wunsch, der sich nie erfüllen wird! Und die Russen werden kein Mitleid haben! Milla, du denkst ich bin blind, aber du bist blind! Sie… sie benutzen dich. Sie nutzen deine Hoffnungen aus!“
Der Lauf schwankte vor meinem Kopf hin und her und ich begann langsam aufzustehen. Gry hinderte mich nicht. Sie sah mich nur hilflos an, als konnte sie gar nicht fassen, dass ich dazu in der Lage war.
„Ich verstehe dich. Ich habe mit mir gekämpft. Sehr lange. Aber vielleicht ist das unsere einzige Chance. Wir können nicht auf die ‚perfekte‘ Chance warten. Die wird sich nicht ergeben. Wir müssen realistisch bleiben.“ Ich versuchte mich mit meinen Worten selbst zu überzeugen. Ich wusste nicht, ob ich das Richtige tat. Ich wusste nur, es konnte nicht für immer so weitergehen.
„Nein! Nein, nicht so. Es muss einen anderen Weg geben. Oder willst du entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss?“ Sie sah mir direkt in die Augen und ich konnte nichts mehr sagen. Sie hatte Recht. Es war nicht meine Entscheidung. Vielleicht gab es einen anderen Weg, doch dieser war der einzige, über den ich je nachgedacht hatte. An eine friedliche Lösung habe ich nie gedacht. Ich habe nie daran geglaubt. Ich hatte so viele Menschen verloren, die mir lieb und teuer waren. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, aber das galt nicht für andere. Gry hatte bestimmt Familie. Menschen, die sie beschützen wollte. Und was hatte ich?
Plötzlich, nahm ich das Knirschen von Glasscherben unter Stiefeln war und Schritte, die sich uns näherten. Es konnte nur Ibrahim sein. Ich wusste, egal wie stark er verletzt war, er würde diese Mission unter allen Umständen beenden wollen. Und Gry würde keine Chance gegen ihn haben.
„Bitte nimm die Waffe runter.“ Bat ich sie eindringlich.
„Nein.“ Sie versuchte entschlossen zu wirken und sah nur zu mir. Scheinbar, hatte sie gar nicht mitbekommen, dass Ibrahim zu sich gekommen war und sich bereits aus dem Wagen befreit hatte.
„Bitte Gry.“ Flehte ich sie an und sah immer wieder zur Seite, aber sie verstand mich nicht. Die Schritte wurden immer lauter, bis ich ihn sehen konnte. Er stand direkt hinter Gry. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss er ihr die Waffe aus der Hand und packte ihren Hinterkopf.
„NEIN!!“ Schrie ich so laut ich konnte, aber es war zwecklos. Mit all der Kraft in seinem Oberarm, rammte er ihren Kopf gegen die Karosserie des Wagens. In der Ferne ertönte wieder eine Explosion und übertönte den Klang von Grys Knochen, die unter der Wucht des Aufpralls brachen. Ihr Körper sackte eine Sekunde später leblos in sich zusammen. Ich konnte es nicht glauben. Sie war tot. Er hatte sie vor meinen Augen umgebracht. Ohne noch eine Sekunde darüber nachzudenken, packte ich meine Waffe und zielte auf ihn, doch auch diesmal war Ibrahim schneller. Er ergriff den Lauf meiner Waffe und riss ihn zu sich. Bevor ich auch nur einen Schuss abfeuern konnte, stürzte ich zu Boden und verlor den Halt über die Waffe. Ibrahim holte mit seinem Stiefel aus und trat gegen meinen Rücken. Mit einem erstickten Aufschrei landete ich direkt neben Gry. Ihre blauen Augen starrten ins Nichts. Sie waren so leer. Völlig leer. Ihr Gesicht war schmutzig und blutverschmiert. Es war nicht mehr ihres. Es war fremd geworden. Entstellt. Ein paar ihrer roten Haare klebten am frischen Blut fest und umschlossen ihr Gesicht, wie ein feines Netz. Ich
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