Altenberger Requiem
ein Mordfall ist doch eine Riesensache für dich. Du könntest Geld verdienen. Deinen Ruf aufpolieren.«
»Als ob ich das nötig hätte.«
»Ach, hast du nicht? Da habe ich aber ganz andere Sachen über dich gehört. Bist du nicht immer der Loser gewesen, der keine Jobs hatte? Der sich von seiner Tante aushalten lassen musste?«
»Jutta hat mir nie Geld gegeben. Höchstens mal einen Fall zugeschanzt.«
»Was auf dasselbe rauskommt.«
Ich senkte meine Stimme und bemühte mich, sachlich zu bleiben. »Jetzt mal ganz, ganz langsam. Wonne, ich brauche deine Hilfe nicht. Und ich frage mich jetzt nur noch, wie ich aus dieser Nummer wieder rauskomme. Das ist eine Scheißsituation.«
Ich atmete tief durch. Die Enttäuschung, mit Wonne einen handfesten Krach auszutragen, noch dazu auf offener Straße, wogte wie heißes Öl in mir. Wie schön hätte alles werden können! Was für ein Sommer hätte vor uns gelegen!
So sanftmütig wie möglich sagte ich: »Warum machst du so was? Warum bringst du mich in so eine Lage? Was hast du denn eigentlich davon, dass ich diesen Fall übernehme?«
Zum Glück drosselte auch sie ihre Lautstärke: »Ich dachte, es wäre eine gute Idee.«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Journalistin bist?«
»Keine Ahnung. Wegen diesem blöden Spiel zwischen uns. Und dann sah ich die Chance, dich mal in einem richtigen Fall zu erleben.«
»Willst du darüber schreiben, oder was? Brauchst du eine Story? Willst du mich benutzen, um beruflich voranzukommen?«
Sie sah mich erstaunt an. Dann erst schien sie zu begreifen, dass es für unsereins nicht so erstrebenswert war, ins Visier der Presse zu geraten. Plötzlich lächelte sie wieder.
»Ach Quatsch. Hast du etwa gedacht … Nein, darum geht’s mir nicht.«
»Ganz ehrlich?«
»Remi, ich war immer ehrlich zu dir. Außerdem schreibe ich nicht über Mordfälle. Mehr über Kultur. Und Menschen.«
Eine Pause entstand. Ich kam mir vor wie in einem Boxkampf, in dem sich beide Gegner so verausgabt haben, dass sie nur noch schwer atmend dastehen und nicht in der Lage sind, auch nur den Arm zu heben. Geschweige denn zuzuschlagen.
»Nimm’s mir bitte nicht übel«, sagte Wonne. »Ich war irgendwie … euphorisiert. Einen Detektiv kennenzulernen und so. Und dann dieser Fall…«
»Laufen dir in deinem Job nicht ständig viel interessantere Leute über den Weg?«
»Ein Ermittler war noch nicht dabei. Ich finde es einfach aufregend.« Sie hatte ihr Lächeln wiedergefunden. »Weißt du, das abenteuerliche Leben törnt mich irgendwie an. Ich werde auch nie darüber schreiben, wenn du das nicht willst. Ich schwör’s.«
»Eigentlich hast du das gar nicht so unclever gemacht«, musste ich zugeben.
»Wie meinst du das?«
»So schnell den Fall einzutüten. Das gelingt nicht jedem.«
»Danke. Und? Wirst du ihn annehmen?«
Ich atmete tief durch.
Es törnte sie an, was ich tat? Sicher, sie wollte keinen Typen erleben, der ein Haus hütete und die ganze Zeit vor dem Fernseher herumhing. Sie wollte einen tollen Hecht. Einen tollen Hecht, der ich war, wenn ich einen Einsatz hatte. Eine eigentümliche Wärme machte sich in mir breit und wanderte in meinen Unterleib.
»Zwei Bedingungen«, sagte ich schließlich.
»Welche?«
»Die Arbeit darf mich nicht vom Haushüten abhalten. Denn das ist mein eigentlicher Job im Moment.«
Keine Ahnung, wie das gehen soll, dachte ich. Aber es muss einfach. Irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich Wonne nur bekam, wenn ich mich auf den Fall einließ. Notfalls hätte ich sogar bei Manni gekündigt. Obwohl das gar nicht ging, weil er nicht zu erreichen war.
»Das sollte sich doch einrichten lassen. Du langweilst dich da oben sowieso nur.«
»Das würde ich nicht sagen. Ich habe eine Menge Laster, denen ich dort frönen kann.«
»Laster? Klingt aufregend.«
»Kann sein. Dahinter verbergen sich jedoch eher profane Dinge wie Dauerfernsehen und so was.«
»Schade - ach ja, und natürlich Tiefkühlpizzas.«
Der Ärger war von mir abgefallen wie ein Panzer. Wonne war hinreißend wie eh und je. Wie gestern. An dem Tag, an dem wir uns kennengelernt hatten. Meine Güte, war das wirklich erst einen Tag her?
»Was ist die zweite Bedingung?«
»Das wirst du gleich sehen. Komm mit.«
Als wir näher kamen, hätte ich schwören können, am Fenster der Rechtsanwältin einen Vorhang zucken zu sehen.
Kurz darauf saßen wir wieder vor ihrem Schreibtisch.
»Und?«, fragte Frau Dr. Rath.
»Ich nehme den Auftrag
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