Altenberger Requiem
sachlich.
»Verstehe.«
Wonne wollte aussteigen, aber ich legte meine Hand auf ihren Arm.
»Was ist?«
»Bleib bitte hier.«
»Aber…«
»Tu mir den Gefallen«, sagte ich leise. »Die nehmen unsere Personalien auf. Und wenn rauskommt, dass du eigentlich gar nicht… Du weißt schon …«
Sie nickte verständig.
Ich ging mit der Anwältin hinein, und wir ließen die übliche Prozedur über uns ergehen. Danach folgten wir den Beamten über die Flure und durch diverse Sicherheitsschleusen. Am Ende wurde das Schloss einer grau lackierten Metalltür vor uns geöffnet. Sie schwang auf, und Reinhold Hackenberg erschien, gefolgt von einem JVA-Bediensteten. Er trug immer noch Jogginghose und Turnschuhe, jetzt aber in Kombination mit einem verschossenen dunkelblauen T-Shirt. Offenbar hatte man ihn nach der Verhaftung noch mal nach Hause gebracht, damit er sich etwas zum Anziehen holen konnte.
Hackenberg setzte sich an den Tisch, der neben drei Stühlen das einzige Mobiliar im Raum darstellte, und blickte vor sich hin.
»Guten Tag«, sagte Frau Dr. Rath, und Hackenberg murmelte etwas in seinen aschblonden Dreitagebart.
Er schien uns kaum wahrzunehmen und wirkte wie jemand, der mit dem Leben abgeschlossen hat.
»Herr Hackenberg, das ist …« Die Rechtsanwältin brach ab, als ich ihr ein Zeichen machte. Ich spürte, dass man an Hackenberg nur herankam, wenn man sich mit ihm auf Augenhöhe befand. Ich nahm einen Stuhl und positionierte mich ihm gegenüber.
»Wir holen Sie hier raus«, sagte ich. »Wir versuchen es jedenfalls. Aber dafür müssen Sie uns helfen. Wir brauchen ein paar Informationen.«
Hackenberg ballte die Fäuste.
»Sie waren es nicht«, fuhr ich fort. »Wir wissen das. Wir brauchen nur einen Beweis.«
Die Fäuste blieben geballt. Keine weitere Reaktion.
»Wer könnte es außer Ihnen gewesen sein?«, fragte Frau Dr. Rath, die am Fenster stehen geblieben war. »Sie haben doch am Telefon eine Theorie gehabt.«
Das Licht, das durch die vor Schmutz halb blinde Scheibe hereinfiel, wirkte selbst wie befleckt. Man atmete unwillkürlich flacher, weil man das Gefühl hatte, Dreck oder Staub zu inhalieren.
»Herr Hackenberg, Sie müssen uns helfen«, sagte ich mit Nachdruck.
Als er weiter schwieg, stand ich auf, ging zu Frau Rath und deutete mit dem Zeigefinger auf mich und dann zu Hackenberg. Die Anwältin runzelte die Stirn. Sie verstand erst nicht, doch dann fiel der Groschen, und sie ging zum Ausgang. Auf ein kurzes Klopfen hin rasselte der Schlüssel in der Tür, und Frau Dr. Rath verließ den Raum. Ich setzte mich wieder auf den Stuhl.
»Es ist besser, wenn wir alleine reden«, sagte ich. »Ich bin übrigens Remigius Rott.«
Der Kopf mit den blonden Haaren hob sich, und zum ersten Mal traf mich Hackenbergs Blick. Seine Augen waren dunkel und wirkten trostlos, fast tot.
»Remi… was? Wer heißt denn so?«
»Kann man sich nicht aussuchen.«
Er nickte. »Auch wieder wahr.«
»Also pass auf, Reinhold. Wir haben nicht viel Zeit. Und ich kann auch nicht so oft kommen wie Frau Dr. Rath. Es ist eh ein Wunder, dass sie mich hier reingelassen haben. Ich brauche Informationen über deine Mutter. Und ich muss wissen, wer deine Freunde sind, von denen du glaubst, dass du ihnen diesen Schlamassel hier zu verdanken hast. Sonst kann ich dir beim besten Willen nicht helfen.«
»Bist du auch Anwalt?«
»Nein. Ich ermittle. Deine Anwältin hat mich engagiert, damit ich deine Unschuld beweise.«
Er sah zum Ausgang, als blicke er Dr. Rath hinterher. »Blöde Fotze.«
»Was hast du gegen sie?«
»Die hilft mir nicht. Die ist eine Freundin von meiner Mutter.«
»Du hast sie selbst angerufen.«
»Das war ein Fehler.«
»Das glaube ich nicht. Immerhin hat sie mich engagiert.«
Er versank wieder in sein dumpfes Brüten.
»Reinhold, hör mir zu. Dein Messer steckte im Rücken deiner Mutter. Dein Auto wurde auf dem Parkplatz in der Nähe gesehen. Du hattest mit deiner Mutter Stress. Jemand hat ausgesagt, dass du dich am Abend vorher mit ihr gestritten hast. Ich glaube, das reicht, um dich eine Weile hierzubehalten. Vielleicht sogar dein Leben lang. Du musst mir jetzt erklären, was für eine Sache das war, die deine Mutter über deine Freunde herausgefunden hat. Darüber habt ihr euch doch gestritten, oder nicht?«
Es war, als würde ich gegen einen Felsen anreden.
»Rate mal, wer die ganze Kohle von deiner Mutter erbt«, versuchte ich es anders.
Ich machte eine Kunstpause, weil ich dachte, er würde sich
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