Altenberger Requiem
störe, aber …«
Ich behielt die Pistole in der linken Hand. Mit der rechten öffnete ich die Tür einen Spalt.
Das Türblatt knallte mit Wucht nach innen und traf meine Schulter. Die Waffe flog scheppernd über den Steinboden und ging los. Auf den ohrenbetäubenden Knall folgten ein Schmerzensschrei und ein Fluch. Ich konnte nicht erkennen, was passiert war, denn sofort drängten mehrere dunkel gekleidete Gestalten in den Flur. Einer davon packte mich, nahm mich in den Schwitzkasten und drückte meinen Kopf nach unten. Einen Moment lang erkannte ich den Umriss meiner Beretta auf dem Boden, aber ich konnte sie nicht aufheben, weil der Typ, der mich festhielt, mir gerade fast den Arm auskugelte.
Die beiden anderen rannten ins Wohnzimmer. Irgendetwas klirrte. Wieder ein Fluch. Ich malte mir aus, was passieren würde, wenn sie Wonne fanden. Der Gedanke verlieh mir Riesenkräfte, aber sie waren nicht riesenhaft genug, um loszukommen.
Ich gab auf und entspannte mich.
»Bleib ruhig, Arschloch«, zischte der Mann hinter mir, und ich spürte etwas Schmieriges auf meinem Gesicht. Es roch metallisch. Blut. Es tropfte von oben auf den Steinboden, und ich kombinierte messerscharf, dass der Typ von dem Schuss aus meiner Waffe getroffen worden war. Trotzdem verließ ihn nicht die Kraft, mich in seinem eisernen Griff zu halten.
»Macht schon!«, schrie er den anderen zu. »Beeilung.«
Ein Schrei. Von einer Frau.
Wonne.
»Halt schön still«, zischte der Mann. »Und lass diesmal die Bullen aus dem Spiel.«
Die Schritte der anderen näherten sich, und ich wurde losgelassen. Mühsam wollte ich mich aufrichten, aber mein ganzer Oberkörper schmerzte, als wäre er unter eine Dampfwalze geraten. Ich versuchte, jeden Muskel einzeln zu lockern, doch dann holte der Schatten über mir aus, und etwas traf mich mit solcher Wucht, dass schlagartig Dunkelheit herrschte.
21. Kapitel
Unter mir war nichts als Leere. Ich fiel und fiel und versuchte, die Arme auszubreiten. Doch irgendjemand hatte mich gefesselt…
Nein, nicht gefesselt. Man hielt mich fest, und jetzt sagte jemand etwas zu mir. Unverständliches Kauderwelsch.
»Matze!«, schrie ich.
Ich war sicher, dass er es war, der mir den Schlag versetzt hatte.
»Remi…«
Das war Wonnes Stimme.
»Remi, komm zu dir.«
Wieder ein Filmriss, dann sagte jemand: »Herr Rott?«
Das war nicht Matze. Der Mann klang älter.
Ich schaffte es, die Augen aufzumachen, und blickte dem kugelförmigen Kopf von Hauptkommissar Kotten entgegen.
»Sind Sie wach, Herr Rott?«
»Wo ist Wonne?«, fragte ich. Es war etwas mühsam. Ich musste erst mal Spucke sammeln.
Sofort spürte ich streichelnde Hände auf der Stirn, und jetzt schob sich Wonne in mein Sichtfeld.
»Hier bin ich. Keine Sorge, Remi.«
Ich setzte mich auf. Es ging nur mit heftigem Zähnezusammenbeißen. Langsam wurde die Umgebung sichtbar.
Ich befand mich immer noch in Mannis Haus. Allerdings lag ich auf der Couch im Wohnzimmer. Der Raum war hell erleuchtet. Die Zeiten romantischen Kerzenscheins waren vorbei.
»Wie lange war ich ohnmächtig?«, fragte ich.
»Sie stellen ja schon wieder analytische Fragen, Herr Rott.« Kotten grinste. »Sehr gut. Sie sind offensichtlich hart im Nehmen.«
»Eine ganze Weile«, sagte Wonne. »Ich hab den Notarzt geholt. Und Herrn Kotten.«
Jetzt erkannte ich hinter dem Kommissar zwei Uniformierte. Ein Mann in Weiß beugte sich zu mir. Hinter dem Fenster blinkte es blau.
»Sie haben ein bisschen geschlafen«, sagte er. »Folgen Sie meinem Finger.«
»Zu Fuß?«
Er blieb ernst. »Mit den Augen.« Er bewegte den Zeigefinger vor meinem Gesicht von links nach rechts. Ich tat wie geheißen.
»Tut das hier weh?« Er drückte gegen meine Rippen.
»Und was machen Sie hier?«, fragte ich Kotten. »Kümmern Sie sich jetzt auch um Einbrüche?«
»Wie geht’s ihm, Doc?«, fragte der Hauptkommissar.
»Alles in Ordnung. Ein paar Prellungen. Nichts Ernstes. Er hat offenbar auch getrunken. Schlechte Kombination mit einer Schlägerei.«
»Nur zwei Flaschen Bier«, protestierte ich.
Der Arzt packte seinen Koffer zusammen. »Ihre Fahne spricht jedenfalls eine deutliche Sprache.«
Vorsichtig schwang ich die Beine von der Couch. Mir war etwas flau, und die Knochen schmerzten. Einen Moment lang schien sich mein Gesichtsfeld zu einem Tunnel zu verengen. Eisiger Schweiß sammelte sich auf meiner Stirn. Nachdem ich ein paarmal tief durchgeatmet hatte, ging es mir besser.
»Ist wirklich alles in Ordnung,
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