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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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verschwunden waren, gab Wonne so stark Gas, dass es heulte.
    War unser Altersunterschied tatsächlich so groß? Ich schüttelte nur den Kopf und zog mein Handy heraus.
    Wir rasten die Straße nach Mettmann zum Jubiläumsplatz hinunter, als sich bei Georgis endlich jemand meldete.
    »Hallo, Herr Georgi, hier ist Rott.«
    »Der Detektiv?«
    »Ja, genau. Ich hatte mit Ihrer Frau telefoniert.«
    »Sie hat mir gesagt, worum es geht. Sie wollen wissen, wo wir damals den Ohrring gefunden haben.«
    Wonne hatte an einer Ampel gehalten und fuhr wieder an, die Lautstärke im Wagen erhöhte sich rapide, und ich musste gegen den Lärm anschreien. Wenigstens hatte sie das Faltdach geschlossen.
    »Haben Sie sich denn erinnern können?«, fragte ich.
    »… Mühe gemacht… Fotos … Kalender nachgesehen«, verstand ich.
    »Wonne, fahr langsamer«, rief ich. »Herr Georgi, es tut mir leid, wir sind gerade im Auto unterwegs.«
    »Ich glaube, ich kann es Ihnen ganz gut erklären«, sagte er. Wonne hatte das Tempo gedrosselt - keine Ahnung, ob meinetwegen oder wegen der Tatsache, dass wir in der Innenstadt unterwegs waren. Hauptsache, ich verstand Georgi wieder.
    »Damals war ich auf der Suche nach einem Grab«, sagte Georgi.
    Ich war nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. »Ein Grab?«
    »Ja, wissen Sie, ich bin Geografie- und Geschichtslehrer, und ich habe mich damals schon sehr für das Bergische Land interessiert. Ich habe in meinen Unterlagen nachgesehen: Meine Frau und ich haben damals eine Wanderung zur Knochenmühle gemacht.«
    Knochenmühle, Grab - das klang ja immer interessanter.
    »Dort gibt es ein Grab im Wald. Das Grab einer jungen Frau.«
    »Gabriele Scherf?«, entfuhr es mir.
    Georgi wirkte verwundert. »Nein. Hildegard Maria Klingenburg. Sie kam kurz vor Ende des Krieges ums Leben, und wahrscheinlich konnte man sie wegen der allgemeinen Wirren und Zerstörungen nicht auf einem Friedhof beisetzen. Sie wurde nur zwanzig Jahre alt.«
    Einen Moment lang dachte ich, die Geschichte, die mir Georgi da erzählte, hätte etwas mit meinem Mordfall zu tun. Ein paar Sekunden starrte ich vor mich hin. Wir befanden uns gerade hinter Mettmann auf der grünen Landstraße in Richtung Autobahn, die uns nach Köln bringen würde.
    »Dieses Grab im Wald war damals unser Ziel«, fuhr Georgi fort. »Und in unmittelbarer Nähe, ein Stück in Richtung Talausgang, lag der Ohrring. Das heißt, er hing an einem tiefliegenden Ast eines Baumes. Als wenn ihn jemand anders schon mal gefunden und so drapiert hätte. Damit man ihn sieht, falls danach gesucht wird.«
    »Ich verstehe.« Im Stillen bedankte ich mich beim Schicksal dafür, mir einen pingeligen Lehrer zum Zeugen beschert zu haben.
    »Wir haben uns damals schon gewundert«, berichtete er weiter, »denn eigentlich gibt es in der Nähe des Grabes keinen richtigen Wanderweg. Die Stelle ist ziemlich abgelegen. Sie befindet sich im Tal der Kleinen Dhünn. Gegenüber der Straße, die durch das Tal führt, ist ein langer bewaldeter Hang. Da ist die Stelle.«
    »Können Sie mir genau sagen, wo das ist? Ich würde mir das gern ansehen.«
    »Von wo kommen Sie?«
    »Warten Sie einen Moment, ich muss eine Karte aufschlagen. Südliches oder nördliches Bergisches Land?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Eher die Gegend von Overath, Wiehl, Waldbröl? Oder Wermelskirchen, Wipperfürth, Gummersbach?«
    »Wissen Sie nicht, wo die kleine Dhünn fließt?«, fragte er - offenbar fassungslos über diese Bildungslücke.
    »Doch, schon gut, entschuldigen Sie, nördlicher Teil.« Warum entschuldigte ich mich eigentlich bei ihm? Weil er Lehrer war? Die Schule prägte einen ganz schön. Auch mit Ende vierzig hatte man noch Ehrfurcht vor einem Pauker.
    »Ich komme von Köln«, sagte ich, denn die Besichtigung des Fundortes würde nach dem Besuch bei Mathisen stattfinden.
    »Ich erkläre Ihnen, wie Sie es auf der Karte finden. Das ist einfacher. Suchen Sie mal die Dhünntalsperre.«
    »Sekunde.« Ich legte das Handy auf die Knie und beugte mich zum Rücksitz. Da lagen die Utensilien, die ich sicherheitshalber mitgenommen hatte. Nicht nur meine Pistole, sondern auch Kartenmaterial.
    Ich fischte nach der Naturparkkarte »Bergisches Land Nordteil«, die mir schon große Dienste erwiesen hatte, und schlug sie auf.
    Der berühmte Stausee war schnell gefunden. Er zog sich diagonal von Odenthal nordwestlich in Richtung Hückeswagen hinauf. Oberhalb der zerfaserten blauen Fläche lag Wermelskirchen. Darunter

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