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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Totenmesse.

24. Kapitel
    »Such du einen Parkplatz, ich geh schon rein«, sagte ich, als Wonne vor dem Tor in der Backsteinmauer hielt.
    »Was willst du denn machen? Ihn einfach mit den Tatsachen konfrontieren und darauf hoffen, dass er zugibt, vor Jahrzehnten einen Mord begangen zu haben?«
    Ich hatte Wonne erzählt, was mir nach dem Telefonat durch den Kopf gegangen war.
    »Vielleicht kann ich bluffen und behaupten, die Polizei sei gerade dabei, oben bei der Knochenmühle nach der Leiche zu suchen oder so was.«
    »Wenn das mal klappt…«
    »Ich tue halt so, als würde ich nach Gabriele suchen. Mal sehen, was er für eine Version auf Lager hat, was aus ihr geworden ist.«
    »Na, welche schon? Dieselbe, die auch in dem Brief an Klara Hackenberg steht. Dass sie sich getrennt haben. Und dass der Kontakt dann abgerissen ist. Dass er nicht weiß, was aus ihr geworden ist.«
    Hinter uns ertönte ein tiefes Dröhnen. Ein Lkw näherte sich durch die enge Straße.
    »Mach, was du willst«, sagte Wonne, »ich muss jedenfalls hier weg. Ich blockiere alles.«
    Ich stieg aus, ging durch das Tor und die Treppe hinauf. Hinter der Glasscheibe saß das blonde Mädchen, das Simone hieß. Sie blickte auf, als ich klingelte, und streckte den Arm zu einem Türöffner aus, der sich neben dem Schreibtisch befand. Ich ging hinein.
    »Ist Herr Mathisen da?«, fragte ich.
    »Nein, tut mir leid. Er kommt auch sicher nicht mehr. Herr Mathisen und Frau Weißenburg sind schon auf dem Weg zum Flughafen.«
    Mir fiel es siedend heiß ein - Hermine Weißenburg hatte mir selbst gesagt, dass sie heute abreisen würden. Hatte sie erwähnt, wohin? Ich konnte mich nicht erinnern. Sicher ins Ausland.
    »Es ist sehr wichtig, dass ich ihn noch treffe«, sagte ich. »Wann geht das Flugzeug? Kann ich ihn vielleicht noch erreichen?«
    »Ich kann es Ihnen leider nicht sagen …«
    »Wohin fliegen sie? Man könnte auf dem Flugplan nachschauen, wann der Flieger geht.«
    »Ist es wirklich so dringend?«
    »Es geht um eine gerichtliche Sache. Deswegen habe ich auch gestern mit Frau Weißenburg gesprochen.« Ich blickte in das Gesicht des Mädchens, das mir aufmerksam zuhörte, aber nichts unternahm, um mir zu helfen. Aus Erfahrung wusste ich, dass es in solchen Fällen nützlich war, etwas zu übertreiben.
    »Ich arbeite für die Staatsanwaltschaft«, behauptete ich. »Herr Mathisen ist Zeuge in einem Mordfall. Wenn ich ihn nicht erreiche und die Information nicht erhalte, die ich brauche, wird das zu Problemen führen. Wahrscheinlich wird Herr Mathisen Schwierigkeiten bekommen. Große Schwierigkeiten. Und sofort wieder zurückreisen müssen. Das wird nicht in seine Termine passen …«
    Das Mädchen wurde blass. »Ich gebe Ihnen Herrn Mathisens Handynummer. Vielleicht erwischen Sie ihn ja noch. Es kann sein, dass er noch im Hotel ist.«
    Das war das Stichwort. Mathisens Handynummer brauchte ich gar nicht. Wonne hatte sie.
    »In welchem Hotel ist er abgestiegen?«
    Sie schrieb es mir auf. Es lag am Wiener Platz.
    Ich bedankte mich und stürmte davon. Unten im Hof kam mir Wonne entgegen. Fast wären wir zusammengestoßen.
    »Und?«, fragte sie atemlos.
    »Er ist nicht hier. Seine Frau auch nicht. Sie reisen heute weiter. Komm, vielleicht sind sie noch im Hotel.« Ich überlegte, ob ich ihn anrufen sollte. Nein. Der Überraschungseffekt war wichtig.
    Die Parklücke, die Wonne gefunden hatte, lag ziemlich weit entfernt. Wir rannten. Als wir das Auto endlich erreichten, hatte ich das Gefühl, ich hätte einen Marathon hinter mir.
    »Du solltest mehr Sport treiben«, hörte ich Wonnes Stimme durch das Wummern, das meinen Körper erfüllte.
    »Beeil dich«, rief ich. Es war der falsche Moment, um über Sport oder Fitness zu diskutieren.
    Wir quetschten uns in den Wagen. Wonne fuhr los. Eine Ampel wollte gerade auf Rot springen - mindestens fünfzig Meter entfernt. Wonne trat aufs Gaspedal, dass es mich in den Sitz drückte. Ich wandte den Blick von der Straße und beobachtete die Tachonadel, die auf neunzig hinaufwanderte. Kaum waren wir über die Kreuzung, bremste Wonne wieder.
    »Man weiß ja nie, ob es nicht Starenkästen gibt«, erklärte sie.
    »Wenn dich einer erwischt, zahle ich.«
    Sie gab wieder Gas und preschte weiter. Ich hatte den Eindruck, auf einem Schlachtross zu sitzen, das sich ins Gefecht stürzt.
    Keine Ahnung, ob jemals jemand die Zeit gestoppt hat, die man von der Lüderichstraße bis zum Wiener Platz braucht. Mir kam es jedenfalls wie eine

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