Alter Adel rostet nicht
Dahlia.
»Vielleicht sogar eine internationale Bande«, warf ich ein.
»Höchstwahrscheinlich.«
»Vermutlich hat es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, daß Sir Watkyn das Ding kaufte. Du weißt ja, daß eigentlich Onkel Tom den Kauf tätigen wollte, und bestimmt hat er dann allen möglichen Leuten erzählt, wer das Kännchen statt dessen bekommen hat. So was kriegen diese internationalen Banden im Nu spitz. Die haben doch überall ihre Leute.«
»Kolossal gerissen, diese Banden«, pflichtete mir die alte Blutsverwandte bei.
Als Onkel Toms Name fiel, hatte ich den Eindruck, daß Papa Bassett ein bißchen blaß um die Nase wurde. Es war wohl sein schlechtes Gewissen, das an ihm nagte.
»Wir wollen dieses Thema fallenlassen«, sagte er hastig. »Was das Sahnekännchen betrifft, so besteht kein dringender Tatverdacht mehr gegen Sie. Kommen wir nun zum Helm des Wachtmeisters Oates. Daß dieser sich in Ihrem Besitz befindet, Mr. Wooster, weiß ich zufällig genau.«
»Ach, wirklich?«
»Jawohl. Der Herr Wachtmeister ist diesbezüglich von einem Augenzeugen informiert worden. Ich werde deshalb sogleich an die Durchsuchung Ihres Zimmers gehen.«
»Wollen Sie sich wirklich die Mühe machen?«
»Jawohl.«
Ich zuckte mit den Achseln.
»Bitte schön«, sagte ich. »Wenn Sie das als Ihre Gastgeberpflicht betrachten, dann nur zu. Mein Zimmer steht Ihnen zur Verfügung. Aber ich muß schon sagen, daß ich das für eine sonderbare Art halte, seinen Gästen angenehme Tage zu bereiten. Mit meinem Besuch brauchen Sie nicht mehr zu rechnen.«
Ich hatte ja schon zu Jeeves gesagt, daß es bestimmt amüsant wäre zuzusehen, wie dieser alte Schnarchsack und sein Kompagnon überall herumschnüffelten, und so war es denn auch. Ich kann mich nicht erinnern, jemals soviel Spaß gehabt zu haben. Aber auch die lustigste Vorstellung hat einmal ein Ende. Nach ungefähr zehn Minuten merkte man, daß der Suchtrupp drauf und dran war, die Aktion abzublasen und den Heimweg anzutreten.
Als Papa Bassett schließlich die Segel strich und sich an mich wandte, machte er ein, gelinde gesagt, säuerliches Gesicht.
»Ich muß mich anscheinend bei Ihnen entschuldigen, Mr. Wooster«, sagte er.
»Das will ich meinen, Sir Watkyn!« versetzte ich.
Dann verschränkte ich die Arme vor der Brust, richtete mich zu meiner vollen Größe auf und hielt ihm eine Standpauke, an der alles dran war.
Der genaue Wortlaut meiner Philippika ist mir leider entfallen. Es ist schade, daß niemand da war, um mitzustenographieren, denn es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, daß ich über mich selbst hinausgewachsen bin. Im Drones Club hatte ich zwar, animiert durch ein paar Gläser Schampus, gelegentlich kleine Ansprachen von einer gewissen Verve und Eloquenz gehalten, die – verdient oder unverdient – den Beifall der Anwesenden erhielten, aber ich glaube nicht, daß ich je zuvor so ein Niveau erreicht hatte wie diesmal. Der alte Bassett schrumpfte immer mehr zusammen.
Aber als ich gerade so richtig in Schwung war, merkte ich plötzlich, daß meine Faszinationskraft nachzulassen schien. Er hörte mir gar nicht mehr zu, sondern starrte an mir vorbei auf etwas, das außerhalb meines Gesichtskreises lag. Und nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, war dieses Etwas so sehenswert, daß ich mich umdrehte, um selbst mal einen Blick zu riskieren.
Es war der Butler, der Sir Watkyn Bassetts Aufmerksamkeit so sehr gefesselt hatte. Er stand in der Tür und balancierte auf der rechten Hand ein Silbertablett. Und auf diesem Silbertablett lag ein Polizeihelm.
14
Gegen Ende seines Theologiestudiums in Oxford hat der gute Stinker Pinker eine Zeitlang Sozialarbeit in den rauheren Gegenden des Londoner Eastend geleistet, und ich weiß noch, daß er mir mal ausführlich beschrieben hat, wie ihm zumute war, als er während einer kleinen Straßenpredigt in Bethnal Green urplötzlich von einem Hausierer einen Tritt in die Rippen bekam. Ihm kam auf einmal alles ganz unwirklich vor, wie im Traum, sagte er, und er hatte das Gefühl, in eine dichte Nebelwand hineinzulaufen. Ich erwähne das deshalb, weil ich mich in diesem Augenblick haargenau so fühlte.
Bei meiner letzten Begegnung mit diesem Butler – Sie wissen doch: als er kam, um mir zu sagen, daß Madeline Bassett mich sprechen wollte – da sagte ich, er sei ganz verschwommen gewesen. Was ich jetzt anstarrte, war jedoch nicht so sehr ein verschwommener Butler als vielmehr eine Art wolkiger Schleier, hinter
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