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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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her.
    Dabei fiel mir auf, daß der alte Bassett sein Geld gut angelegt hatte. Mit Landhäusern kenne ich mich ein bißchen aus, und dieses war nach meiner Ansicht ein besonders schönes Exemplar. Gediegener Bau, weitläufiger Park, samtiger englischer Rasen und rundherum eine, wie man so sagt, Atmosphäre der Ruhe und des Friedens. In der Ferne hörte man das Muhen von Kühen, das Blöken von Schafen und das Zwitschern von Vögeln, und irgendwo in der Nähe ertönte das Krachen einer Flinte, woraus zu schließen war, daß da jemand den einheimischen Kaninchen auf den Fersen war. Totleigh Towers mochte zwar von allerhand Patentekeln bevölkert sein, aber der Anblick der Natur ringsumher war Balsam fürs zerrißne Herz.
    Und während ich noch so auf und ab ging und dabei auszurechnen versuchte, wie lange der alte Zausel bei einer Tagesrate von zwanzig Verurteilungen zu fünf Pfund Strafe wohl gebraucht hatte, um genügend Geld für dieses Anwesen zusammenzuraffen, da fiel mein Blick durch eine offene Terrassentür in das dahinter liegende ebenerdige Zimmer.
    Es war so eine Art Kabinett, wenn Sie wissen, was ich damit meine, und es wirkte ziemlich zugestellt und überladen, was daran lag, daß es bis obenhin mit Glasvitrinen vollgestopft war, die ihrerseits bis obenhin mit Silbersachen vollgestopft waren. Vor mir lag offensichtlich die Bassettsche Silbersammlung.
    Ich blieb stehen. Irgendwie zog mich dieses Kabinett magisch an. Und im nächsten Moment stand ich schon meiner alten Freundin, der silbernen Kuh, Aug in Auge gegenüber. Sie befand sich in einem kleineren Glasschrank drüben bei der Tür, und als ich sie anstarrte, beschlugen die Scheiben dieses Schranks von meinem keuchenden Atem.
    Ich war tief bewegt, als ich feststellte, daß der Schrank nicht verschlossen war.
    Dann drehte ich am Griff.
    Und dann grapschte ich hinein und schnappte mir das Ding.
    Ob ich dabei die Absicht hatte, mir das Kännchen nur mal aus der Nähe anzusehen, oder ob ich entschlossen war, es ganz zu behalten, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich nur noch daran erinnern, daß ich eigentlich keine bestimmten Pläne gehabt hatte. Mein Geisteszustand war dem der armen Katz’ im Sprichwort gleich.
    Mir blieb aber keine Zeit mehr, mein Handeln einer genauen Motivationsanalyse zu unterziehen, wie Jeeves sagen würde, denn in diesem Augenblick sagte eine Stimme hinter mir: »Hände hoch!«, und als ich mich umdrehte, sah ich Roderick Spode in der Terrassentür stehen. Er hatte eine Jagdflinte in der Hand, deren Mündung er lässig auf meinen dritten Westenknopf von unten gerichtet hielt. Seine Haltung war die eines Mannes, der gern aus der Hüfte schießt.

3
    Gegenüber dem Butler hatte ich Roderick Spode als einen Mann beschrieben, der mit seinem Blick eine Austernschale auf sechzig Schritt Entfernung knacken konnte, und mit genau so einem Blick musterte er mich jetzt. Er sah aus wie ein Diktator, der drauf und dran ist, eine große Säuberungsaktion zu starten, und ich merkte, daß ich mich geirrt hatte, als ich ihn auf zwei Meter schätzte. Er war mindestens zwei fünfzig groß. Und dann dieses langsame Mahlen seines Kiefers!
    Hoffentlich sagt er jetzt nicht »Ha!«, dachte ich, aber dann sagte er es doch. Und da mir meine Stimmbänder noch den Dienst versagten, so daß ich darauf nichts erwidern konnte, war unser Dialog damit fürs erste beendet. Im nächsten Augenblick brüllte er, die Augen weiter starr auf mich geheftet:
    »Sir Watkyn!«
    In der Ferne hörte man ein leises »Äh, ja, hier. Was gibt’s denn?«
    »Kommen Sie doch bitte mal her. Ich muß Ihnen etwas zeigen.«
    Kurz darauf erschien der alte Bassett in der Terrassentür und setzte sich seinen Kneifer auf die Nase.
    Bisher hatte ich diesen Mann immer nur im gepflegten Stadtanzug zu sehen bekommen, und ich muß sagen, daß mich trotz der unangenehmen Lage, in der ich mich befand, ein Schauder überlief bei dem Anblick, den er auf dem Lande bot. Es ist ja, wie Jeeves das ausdrückt, ein anerkanntes Axiom, daß ein Mann für seine Anzüge um so kräftigere Farben wählt, je kleiner er ist, und die Leuchtkraft des Karos, das der alte Bassett trug, stand exakt im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu seinem Längenmaß. Man konnte diesen Tweed nur als »schreiend« bezeichnen, aber erstaunlicherweise wirkte er beruhigend auf meine Nerven. Er vermittelte mir das Gefühl, daß neben diesem optischen Paukenschlag alles andere völlig unwichtig sei.
    »Sehen Sie sich das mal an!«

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