Alter Adel rostet nicht
Dichter sagt, und völlig unbekümmert und gelassen. Bis zum Hals hinauf ganz normal und der Rest purer Gips – das ist Augustus Fink-Nottle.
»Ja, ja«, sagte er, »ich hab’s mir alles gut eingeprägt, und ich bin sehr zufrieden mit dem Material. Während der letzten Woche habe ich Roderick Spode und Sir Watkyn Bassett mal genau unter die Lupe genommen. Ich habe diese beiden Knilche porentief analysiert, und es ist wirklich erstaunlich, was da alles ans Licht kommt, wenn man genau hinsieht. Warst du schon mal dabei, wenn sich Sir Watkyn Bassett über einen Teller Suppe hermacht? Es hört sich an, wie wenn der Schottland-Expreß durch einen Tunnel fährt. Oder hast du Spode einmal Spargel essen gesehen?«
»Nein.«
»Abstoßend, sage ich dir! Man bekommt direkt Zweifel, ob der Mensch wirklich die Krone der Schöpfung ist.«
»Sind das zwei von den Dingen, die du in dein Notizbuch geschrieben hast?«
»Sie nehmen nur etwa eine halbe Seite ein. Es handelt sich ja lediglich um kleine Äußerlichkeiten. Die meisten meiner Recherchen gingen viel tiefer unter die Oberfläche.«
»Aha. Du hast also ganze Arbeit geleistet?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Und was du zutage gefördert hast, ist hochbrisant?«
»Reiner Zündstoff.«
»Fabelhaft. Dann wird sich der alte Bassett wenigstens nicht langweilen, wenn er es liest.«
»Wieso sollte er das lesen?«
»Na, schließlich könnte er das Notizbuch doch genausogut finden wie irgendein anderer, nicht?«
Ich weiß noch, wie Jeeves einmal in bezug auf die Veränderlichkeit des Wetters zu mir gesagt hat, er habe den lichten Morgen oft gesehn, die Bergeshöh’n mit Königsaugen grüßend, und dann sei es am Nachmittag doch noch mies und unfreundlich geworden. So ging es jetzt auch mit Gussie. Bevor ich ihn auf diese Möglichkeit aufmerksam machte, hatte er gestrahlt wie ein Leuchtturm, und dann verschwand dieses Strahlen so plötzlich, als hätte man ihm den Strom abgedreht.
Mit offenem Mund stand er da und starrte mich ungefähr so an, wie ich seinerzeit Hochwürden Aubrey Upjohn angestarrt hatte. Sein Gesichtsausdruck war haargenau derselbe, den ich zufällig einmal bei einem Fisch, dessen Name mir entfallen ist, im Aquarium von Monaco gesehen habe.
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht!«
»Dann fang mal damit an.«
»Ach du meine Güte!«
»Allerdings.«
»Ach du liebes bißchen!«
»Stimmt genau.«
»Ach du dickes Ei!«
»In der Tat.«
Wie ein Schlafwandler ging er zum Teetisch und nahm sich geistesabwesend ein Stückchen Gebäck. Seine Augen waren leicht aus den Höhlen getreten, und sein Blick war leer.
»Angenommen, der alte Bassett findet tatsächlich mein Notizbuch. Was glaubst du, was dann passiert?«
Das konnte ich ihm beantworten.
»Er würde augenblicklich die Hochzeit abblasen.«
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Oh, doch.«
Er verschluckte sich an seinem Gebäckstück.
»Selbstverständlich würde er das tun«, sagte ich. »Du sagst ja selbst, daß er dich als künftigen Schwiegersohn nicht gerade ins Herz geschlossen hat. Und wenn er dieses Notizbuch liest, wirst du ihm bestimmt nicht sympathischer. Ein Blick in deine Aufzeichnungen, und er wird die Hochzeitstorte stornieren und Madeline mitteilen, daß du sie nur über seine Leiche heiraten wirst. Und sie gehorcht ihrem Papa sicher aufs Wort.«
»Ach, du armes Elend!«
»Aber ich würde mir deswegen keine grauen Haare wachsen lassen, alter Junge«, sagte ich, um ihn aufzumuntern, »denn bevor es dazu käme, hätte dir Spode schon längst das Genick gebrochen.«
Zitternd griff er nach einem neuen Gebäckstück.
»Das ist ja entsetzlich, Bertie!«
»Tja, rosig sieht es nicht aus.«
»Jetzt sitze ich aber in der Tinte.«
»Bis zum Stehkragen.«
»Was soll ich nur machen?«
»Keine Ahnung.«
»Fällt dir denn gar nichts ein?«
»Bedaure. Wir werden wohl auf Hilfe von oben hoffen müssen.«
»Du meinst, von Jeeves?«
Ich schüttelte die Kopfpartie.
»Da kann uns nicht mal Jeeves helfen. Es kommt jetzt nur darauf an, das Notizbuch wiederzufinden und in Sicherheit zu bringen, ehe es dem alten Bassett in die Finger fällt. Warum zum Kuckuck hast du es eigentlich nicht irgendwo eingeschlossen?«
»Das ging nicht. Ich mußte mir ja andauernd neue Fakten notieren, und ich wußte nie, wann die nächste Erleuchtung kommen würde. Es mußte immer bei der Hand sein.«
»Und du weißt genau, daß es zuletzt in deiner Brusttasche steckte?«
»Ja, da bin ich ganz
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