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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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den Polizeibeamten merklich verärgert. Man konnte es ihr ansehen. Mit dem Griff ihres Spazierstocks angelte sie nach dem Halsband des Scottie und zog ihn zurück; dann wandte sie sich an den Mann, der mittlerweile aus dem Straßengraben auftauchte wie die schaumgeborene Venus aus dem Meer.
    »Was zum Kuckuck«, fragte sie, »fällt Ihnen eigentlich ein?« Mich ging die Sache zwar nichts an, aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie die bevorstehende Unterredung, die sicher recht heikel und delikat sein wurde, etwas diplomatischer hätte eröffnen sollen. Und ich sah, daß der Bobby ähnlich dachte. Sein Gesicht war zwar dick mit Dreck verschmiert, aber die gekränkte Miene war dennoch gut zu erkennen.
    »Sich so durch die Gegend fallen zu lassen! Sie hätten das kleine Kerlchen ja zu Tode erschrecken können! Mein armer, süßer Bartholomew, hat dich dieser häßliche Onkel um ein Haar zerquetscht, hm?«
    Wieder vermißte ich das diplomatische Fingerspitzengefühl. Ganz objektiv betrachtet, hatte sie natürlich recht, wenn sie diesen Ordnungshüter als häßlich bezeichnete. In einem Schönheitswettbewerb hätte er höchstens dann eine Chance gehabt, wenn seine Konkurrenten Sir Watkyn Bassett, Oofy Prosser aus dem Drones Club und noch so ein paar Typen gewesen wären. Aber man sollte so etwas doch nicht so unverblümt aussprechen. In Situationen wie dieser kommt es vor allem auf Takt und Feingefühl an. Es geht einfach nichts über Takt und Feingefühl.
    Inzwischen war der Polizist samt Fahrrad aus dem Abgrund gestiegen und führte an seinem Gefährt eine Reihe von Tests durch, um das Ausmaß des Schadens zu ermitteln. Nachdem er festgestellt hatte, daß dieser gering war, sah er Stiffy an, und zwar so, wie mich der alte Bassett angesehen hatte, als ich die Anklagebank in der Bosher Street drückte.
    »Ich fuhr vorschriftsmäßig auf einer öffentlichen Verkehrsstraße«, hob er an, langsam und gemessen, als ob er eine Aussage vor Gericht machte, »da fiel mich dieser Hund in gefährlicher Weise an. Ich stürzte von meinem Fahrrad …«
    Stiffy griff das Stichwort auf wie eine geübte Debattenrednerin.
    »Sie sollten eben nicht Fahrrad fahren. Bartholomew mag keine Fahrräder.«
    »Ich benutze ein Fahrrad, Miss, weil ich sonst meine Streife zu Fuß durchführen müßte.«
    »Täte Ihnen bestimmt gut. Dann wären Sie nicht so dick.«
    »Darum«, entgegnete der Polizist, der auch kein schlechter Debattenredner zu sein schien, und holte aus den Tiefen seiner Uniform ein Notizbuch hervor, von dem er eine noch daran hängende Kaulquappe schnickte, »darum geht es hier nicht. Worum es hier geht, ist die Tatsache, daß dieses Tier jetzt schon zum zweiten Mal einen tätlichen Angriff auf eine Amtsperson verübt hat. Ich sehe mich deshalb gezwungen, gegen Sie, Miss, als die Hundehalterin Anzeige zu erstatten, und zwar wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht gegenüber einem gemeingefährlichen Tier.«
    Das war starker Tobak, aber Stiffy bot ihm Paroli.
    »Reden Sie keinen Quatsch, Oates. Sie können doch von einem Hund nicht verlangen, daß er einen Polizisten auf einem Fahrrad unbehelligt läßt. Das wäre ja wider die Natur! Außerdem bin ich davon überzeugt, daß Sie mit allem angefangen haben. Wahrscheinlich haben Sie ihn provoziert. Und ich sage Ihnen gleich: Ich gehe mit dieser Sache bis vors Oberhaus, und als Unfallzeugen benenne ich diesen Gentleman dort.« Sie wandte sich zu mir, und erst jetzt merkte sie, daß ich gar kein Gentleman, sondern ein alter Freund war. »Ach, grüß dich, Bertie!«
    »Tag, Stiffy.«
    »Bist du schon lange hier?«
    »Ein Weilchen.«
    »Hast du mitgekriegt, was passiert ist?«
    »In allen Einzelheiten. Ich hatte ja einen Logenplatz.«
    »Dann halte dich mal als Kronzeuge zur Verfügung.«
    »Ehrensache.«
    Der Wachtmeister hatte unterdessen eine Art Bestandsaufnahme gemacht und in seinem Büchlein notiert. Nun zog er Bilanz.
    »Hautabschürfung am rechten Knie. Quetschung oder Prellung am linken Ellenbogen. Kratzwunde an der Nase. Uniform stark verschmutzt, muß in die Reinigung. Ferner schwerer Schock. Die Gerichtsvorladung wird Ihnen demnächst zugestellt, Miss.«
    Er schwang sich auf sein Fahrrad und trat in die Pedale, woraufhin der Hund Bartholomew einen leidenschaftlichen Satz vorwärts machte und sich beinahe von dem zügelnden Spazierstock losgerissen hätte. Stiffy sah dem Entschwindenden einen Augenblick sehnsüchtig nach wie ein Mädchen, das sich

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