Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
Vom Netzwerk:
studiert.
    »Ach, er war in Oxford? Welcher Jahrgang? Vielleicht kenne ich ihn.«
    »Natürlich kennst du ihn. Er spricht oft von dir und war ganz glücklich, als ich ihm sagte, daß du herkämst. Harold Pinker.«
    Ich war baff.
    »Harold Pinker? Der gute alte Stinker Pinker? Du meine Güte! Wir waren die besten Kumpel. Ich habe mich oft gefragt, was wohl aus ihm geworden ist. Da hat er also die Kaplanslaufbahn eingeschlagen, ohne mir etwas davon zu sagen. Das zeigt doch mal wieder, daß die eine Hälfte der Menschheit keine Ahnung hat, was die andern drei Viertel so treiben. Stinker Pinker … na so was! Ist er jetzt wirklich in Sachen Seelenheil tätig?«
    »Und wie! In den oberen Etagen halten sie große Stücke auf ihn. Er kann jetzt jeden Augenblick seine eigene Pfarrei bekommen, und dann sollst du mal sehen! Der bringt’s noch zum Bischof.«
    Meine überschwengliche Freude über die Wiederentdeckung eines lange verschollenen Spezis machte einer gewissen Ernüchterung Platz. Meine Gedanken wandten sich praktischen Fragen zu. Ich wurde ernst.
    Und ich will Ihnen auch sagen, weshalb ich ernst wurde. Stiffy hatte leicht reden von wegen, es dürfte für Stinker ein Kinderspiel sein. Über den Mann wußte ich besser Bescheid. Schließlich hatte ich ihn schon als ganz jungen Kerl gekannt, und ich wußte, wie er war: groß und tapsig, ein Bursche wie ein Neufundländer-Baby – immer eifrig bemüht, gewiß –, gab stets sein Bestes, klarer Fall –, aber so ganz klappte es bei ihm nie. Mit einem Wort: Wenn irgendwo auch nur die geringste Möglichkeit bestand, daß man etwas vermasseln und sich selbst in Schwierigkeiten bringen konnte, dann war er der Typ, der diese Möglichkeit sofort erkannte und mit beiden Händen ergriff. Bei dem Gedanken, daß er vor der äußerst heiklen Aufgabe stand, den Helm von Wachtmeister Oates an sich zu bringen, gefror mir das Blut in den Adern. Das konnte einfach nicht gutgehen.
    Ich mußte an den jugendlichen Stinker denken. Mit seiner Statur wie Roderick Spode war er ein großartiger Rugbyspieler gewesen, nicht nur in unserem Collegeteam, sondern sogar in der Nationalmannschaft, und er war unübertroffen in der eleganten Kunst, einen Gegner erst im Matsch des Spielfeldes landen zu lassen und ihm dann noch mit seinen Rugbystiefeln ins Genick zu springen. Wenn ich jemanden gesucht hätte, der mir gegen einen wildgewordenen Bullen beisteht, dann wäre meine Wahl sofort auf ihn gefallen. Und wenn ich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Gewalt des Grafen Dracula geraten wäre und in seinem unterirdischen Verlies schmachten müßte, würde ich mir nichts so sehnlich wünschen, als Hochwürden Harold Pinker durch den Schornstein herabrauschen zu sehen.
    Aber mit Muskeln allein ist es nicht getan, wenn man einem Polizisten den Helm klauen will. Dazu braucht man vor allem eine Portion Pfiffigkeit.
    »So, glaubst du?« sagte ich deshalb. »Wenn man ihn dabei erwischt, wie er einem Schäfchen seiner Gemeinde den Kopfputz stibitzt, hat es sich für ihn aber ausgebischoft.«
    »Er wird aber nicht erwischt.«
    »Und ob er erwischt wird! Früher in Oxford wurde er regelmäßig erwischt. Er war von Natur aus unfähig, mit Finesse und Fingerspitzengefühl an eine Sache heranzugehen. Schlag’s dir aus dem Kopf, Stiffy. Laß den Plan sausen.«
    »Ich denke nicht daran.«
    »Stiffy!«
    »Nein. The show must go on. «
    Ich gab auf. Es war offensichtlich reine Zeitverschwendung, ihr diesen Jungmädchentraum ausreden zu wollen. Sie war anscheinend vom selben geistigen Zuschnitt wie Roberta Wickham, die mich mal während eines Besuchs in einem Landhaus dazu gebracht hatte, mitten in der Nacht in das Zimmer eines anderen Gasts zu schleichen und mittels einer an einem Stock befestigten Nähnadel die Wärmflasche des Betreffenden zu durchlöchern.
    »Na schön, wenn es sein muß, dann muß es wohl sein«, sagte ich resigniert. »Aber schärfe ihm wenigstens ein, daß es beim Klauen eines Polizistenhelms darauf ankommt, dem Ding zuerst einen Schubs nach vorn zu geben, bevor man es anhebt. Andernfalls bleibt nämlich der Kinnriemen am Kinn des Opfers hängen. Daran, daß ich diesen entscheidenden Punkt übersehen hatte, bin ich damals am Leicester Square gescheitert. Der Riemen verhedderte sich, der Polyp konnte sich umdrehen und zupacken, und ehe ich mich’s versah, hockte ich auf der Anklagebank und sagte ›Ja, Euer Ehren‹ und ›Nein, Euer Ehren‹ zu deinem Onkel Watkyn.«
    Ich versank

Weitere Kostenlose Bücher