Alter Adel rostet nicht
vielleicht wissen, von einigen früheren Abenteuern berichtet, die ich mit Augustus Fink-Nottle in Brinkley Court bestehen mußte, und in diesem Zusammenhang erwähnte ich einen historischen Roman, den ich einmal gelesen hatte und in dem ein Musketier oder Troubadour – oder wie diese Kerle heißen – vorkam, der immer dann, wenn es galt, jemanden in seine Schranken zu weisen, müde lächelte und ein Staubkörnchen von seiner makellos weißen Spitzenmanschette schnickte. Wenn ich mich richtig erinnere, sagte ich damals auch, daß ich hervorragende Ergebnisse zu verzeichnen hatte, als ich die Masche dieses Vogels nachahmte.
Ich tat es auch jetzt wieder.
»Stiffy«, sagte ich müde lächelnd und schnickte ein Krümelchen Zigarettenasche von meiner makellos weißen Manschette, »du wirst jetzt freundlicherweise dieses Notizbuch herausrücken.«
Ihr fragender Blick wurde noch fragender. Ich merkte, daß sie die Welt nicht mehr verstand. Da hatte sie geglaubt, den lieben Bertram fest im Würgegriff zu haben, und nun stand er mit kühn blitzendem Auge vor ihr, energiegeladen wie ein junges Rennpferd.
»Was willst du damit sagen?«
Ich intensivierte mein müdes Lächeln.
»Ich denke«, sagte ich mit einem lässigen Schnicken, »es ist völlig klar, was ich damit sagen will. Ich will Gussies Notizbuch haben, und zwar augenblicklich und ohne lange Widerworte.«
Sie preßte die Lippen zusammen.
»Du bekommst es morgen, wenn ich von Harold eine Erfolgsmeldung erhalten habe.«
»Ich will es aber jetzt haben.«
»Daß ich nicht kichere!«
»Dein Kichern wird dir schon vergehen, beste Stiffy«, versetzte ich mit stiller Würde. »Ich wiederhole: ich will das Notizbuch jetzt haben. Wenn ich es nicht kriege, gehe ich zu Stinker und erzähle ihm alles.«
»Alles was?«
»Einfach alles. Zur Zeit ist er ja noch im Glauben, mein Stillhalten in dieser Angelegenheit sei einzig und allein auf meine Gutmütigkeit und meinen Wunsch zurückzuführen, einem alten Freund einen Dienst zu erweisen. Du hast ihm nämlich gar nichts von dem Notizbuch erzählt. Davon bin ich fest überzeugt. Ich habe das aus deinem Verhalten geschlossen. Als ich im Begriff war, das Notizbuch zu erwähnen, konnte man eine gewisse Nervosität bemerken. Du hast befürchtet, Stinker könnte Fragen stellen und, wenn er die Zusammenhänge erführe, dich zur Herausgabe des Objekts drängen.«
In ihren Augen flackerte es. Ich sah, daß Jeeves mit seiner Diagnose recht gehabt hatte.
»Das ist doch kompletter Blödsinn!« sagte sie.
»Na schön. Wie du willst. Bye-bye, Baby. Dann gehe ich jetzt mal zu Stinker.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt, und erwartungsgemäß stoppte sie mich mit einem flehentlichen Aufjaulen.
»Nein, Bertie, bleib! Tu’s nicht!«
Ich kehrte um.
»So! Du gibst es also zu? Stinker weiß nichts von deinen …« Mir fiel wieder der drastische Ausdruck ein, den Tante Dahlia in bezug auf Sir Watkyn Bassett gebraucht hatte. »…. von deinen finsteren Machenschaften?«
»Ich verstehe gar nicht, warum du von finsteren Machenschaften sprichst.«
»Ich spreche von finsteren Machenschaften, weil es sich hier um ebensolche handelt. Und Stinker mit seinen hehren moralischen Grundsätzen wird genauso denken, wenn er erfährt, was passiert ist.« Ich zog noch mal die Daumenschrauben an. »Alsdann – cheerio, Chérie.«
»Bertie, warte!«
»Nun?«
»Lieber, guter Bertie …«
Ich machte eine gebieterische Geste mit der Zigarettenspitze und schnitt ihr das Wort ab.
»Schnickschnack! ›Lieber, guter Bertie …‹ Pah! Ausgerechnet jetzt kommst du mir mit ›Lieber, guter Bertie‹!«
»Aber lieber, guter Bertie, laß mich doch erklären. Natürlich habe ich nicht gewagt, Harold von dem Notizbuch zu erzählen. Bestimmt hätte er getobt. Er hätte gesagt, das sei ein ganz mieser Trick, und das war es ja auch. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich sah keine andere Möglichkeit, wie man dich dazu bringen könnte, uns zu helfen.«
»Es gab auch keine andere Möglichkeit.«
»Aber du wirst uns doch helfen, nicht wahr?«
»Nein.«
»Ach, ich wünschte, du würdest es tun.«
»Das kann ich mir denken, aber ich denke trotzdem nicht daran.«
Schon bei der ersten oder zweiten Zeile dieses kurzen Dialogs hatte ich bemerkt, wie ihre Augen feucht wurden, ihre Lippen zu zittern begannen und ein kleines Tränchen über ihre Wange kullerte. Nun brach die Sturzflut, deren Vorbote dieses Tränchen gewesen war, mit elementarer Gewalt hervor. Nach ein
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