Alter Adel rostet nicht
paar Worten des Inhalts, daß sie wünschte, sie wäre tot, und daß ich ganz schön dumm dastehen würde, wenn ich sie in ihrem Sarg liegen sähe und mir mit meiner unmenschlichen Härte die Schuld an ihrem vorzeitigen Ableben geben müßte, warf sie sich auf ihr Bett und fing an, »Bu-huu« zu machen.
Es war die alte Schluchznummer, die sie vor kurzem schon einmal geboten hatte, und wieder entnervte sie mich damit. Unschlüssig stand ich da und fummelte hilflos an meiner Krawatte. Ich habe ja bereits angedeutet, welche Wirkung weiblicher Kummer auf uns Woosters ausübt.
»Bu-huu«, machte sie.
»Aber Stiffy …«, sagte ich.
»Bu-huu … Bu-huu …«
»Aber Stiffy, altes Mädchen, sei doch vernünftig. Denk bitte mal nach. Du kannst doch nicht im Ernst von mir verlangen, daß ich dieses Sahnekännchen mopse.«
»Unser ganzes Glück bu-huut davon ab.«
»Kann ja sein. Aber hör mal. Du ahnst gar nicht, welche Haken die Sache hat. Dein dämlicher Onkel belauert mich mit Argusaugen und wartet nur darauf, daß ich eine Dummheit begehe. Und selbst wenn er nicht wäre, fiele die ganze Geschichte dadurch flach, daß ich mit Stinker kooperieren soll. Ich habe dir ja schon einmal gesagt, was ich von Stinker als Komplizen bei einer kriminellen Handlung halte. Irgendwie würde er alles verpatzen. Du siehst doch, was eben gerade passiert ist. Er kann nicht mal eine Leiter hinunterklettern, ohne abzustürzen.«
»Bu-huu!«
»Und außerdem – unterzieh deinen Plan doch mal einer nüchternen und leidenschaftslosen Analyse. Du sagst, Stinker soll blutbesudelt hereinkommen und erklären, er habe dem Einbrecher eine geballte Handvoll auf die Nase gegeben. Nehmen wir also mal an, er tut das. Was wird die Folge sein? ›Ha!‹ wird dein Onkel sagen, der sich ja mit Indizien genauestens auskennt. ›Du hast ihm also auf die Nase gehauen? Dann werden wir mal alle nach einem Kerl mit einer geschwollenen Nase Ausschau halten.‹ Und mit meinem zu doppelter Größe angeschwollenen Zinken werde ich ihm natürlich sofort auffallen. Sag jetzt bloß nicht, daß er sich dabei nichts Böses denken würde.«
Damit beendete ich mein Plädoyer. Ich fand, daß ich überzeugend gewesen war, und erwartete ihr resigniertes »Na schön, ich seh’s ein. Wahrscheinlich hast du recht«. Aber sie buhuute nur um so heftiger, und so wandte ich mich an Jeeves, der noch gar nichts gesagt hatte.
»Können Sie meiner Argumentation folgen, Jeeves?«
»Absolut, Sir.«
»Und Sie stimmen mir zu, daß es zu einer Katastrophe käme, wenn der Plan wie vorgesehen ausgeführt würde?«
»Jawohl, Sir. Er ist in einigen Punkten höchst problematisch. Darf ich mir erlauben, eine Alternative vorzuschlagen?«
Ich sah den Mann ungläubig an.
»Heißt das, daß Ihnen die Lösung eingefallen ist?«
»Ich denke, ja, Sir.«
Seine Worte brachten Stiffys »Bu-huu« zum Versiegen. Kein anderer Mensch hätte das je geschafft. Sie richtete sich auf und machte ein erwartungsvolles Gesicht.
»Jeeves! Ist das wahr?«
»Jawohl, Miss.«
»Ach, Sie sind wirklich der süßeste Schnuckiputz von der Welt!«
»Danke, Miss.«
»Nun lassen Sie mal hören, Jeeves«, sagte ich und steckte mir eine neue Zigarette an, nachdem ich mich in einen Sessel hatte sinken lassen. »Es ist zwar zu hoffen, daß Sie recht haben, aber ich für meinen Teil hatte schon geglaubt, daß es keinen Ausweg mehr gäbe.«
»Ich glaube, Sir, daß wir einen Ausweg finden können, wenn wir das Problem von der psychologischen Seite her angehen.«
»Ach, von der psychologischen Seite?«
»Jawohl, Sir.«
»Etwa von der individualpsychologischen?«
»Ganz recht, Sir.«
»Verstehe. Jeeves«, erklärte ich Stiffy, die den Mann natürlich nur flüchtig kannte und eigentlich nicht mehr von ihm wußte, als daß er bei unserem Mittagessen in meiner Wohnung formvollendet serviert hatte, »ist nämlich ein As in Sachen Individualpsychologie. Er hat das Zeug mit Löffeln gegessen. An welches Individuum denken Sie dabei, Jeeves?«
»An Sir Watkyn Bassett, Sir.«
Ich machte ein skeptisches Gesicht.
»Sie wollen dieses alte Scheusal milde stimmen? Das schafft man doch höchstens mit einem Vorschlaghammer.«
»Nein, Sir. Es wäre tatsächlich nicht leicht, Sir Watkyn milde zu stimmen, da er, wie Sie mir zu verstehen gegeben haben, ein sehr prinzipienfester und nur schwer zu beeinflussender Mann ist. Ich gedenke vielmehr seine Einstellung Ihnen gegenüber auszunutzen. Sir Watkyn schätzt Sie nicht,
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