Alter Adel rostet nicht
plaudern.«
»Aha.«
An diese Sache mußte man natürlich mit Fingerspitzengefühl herangehen, aber ich glaubte, einen geeigneten Ansatz gefunden zu haben.
»Haben Sie schon mal über die Liebe nachgedacht, Sir Watkyn?«
»Worüber?«
»Über die Liebe. Haben Sie sich schon mal ein bißchen damit beschäftigt?«
»Sie wollen doch nicht mit mir über die Liebe diskutieren?«
»Doch. Genau das will ich: Sie ist schon was Komisches. Ist Ihnen das auch aufgefallen? Es gibt sie überall. Niemand ist vor ihr sicher. Vor der Liebe, meine ich. In allen Bereichen des Lebens schwirrt sie herum. Es ist wirklich erstaunlich. Nehmen Sie zum Beispiel mal Molche.«
»Fühlen Sie sich nicht wohl, Mr. Wooster?«
»Doch. Mir geht es glänzend. Wie ich schon sagte: Nehmen Sie zum Beispiel mal Molche. Sie werden’s vielleicht nicht glauben, aber Gussie Fink-Nottle hat mir gesagt, daß sie ganz aus dem Häuschen geraten, wenn sie verliebt sind. Sie stellen sich stundenlang hin und wackeln vor den Molchschönheiten mit ihrem Hinterteil. Bei Seesternen ist es ähnlich. Und auch bei Meereswürmern.«
»Mr. Wooster …«
»Ebenso, sagt Gussie, bei den bandförmigen Seealgen. Das hätten Sie nicht gedacht, gell? Ich auch nicht. Aber er versichert mir, daß es stimmt. Ich habe zwar keine Ahnung, was so eine bandförmige Seealge sich von ihrem dramatischen Liebeswerben verspricht, aber jedenfalls ist sie in den lauen Vollmondnächten genauso dabei wie alle andern. Wahrscheinlich hofft sie, bei andern bandförmigen Seealgen damit Eindruck zu schinden, die natürlich in den lauen Vollmondnächten auch die Stimme der Liebe in sich vernehmen. Aber wie dem auch sei – worauf ich hinauswill, ist die Tatsache, daß wir bald wieder Vollmond haben, und wenn er schon den bandförmigen Seealgen den Kopf verdreht, dann kann man’s doch einem jungen Mann erst recht nicht verübeln, wenn ihn die Leidenschaft packt, oder?«
»Ich weiß wirklich nicht …«
»Oder?« wiederholte ich mit großem Nachdruck. Und um die Dringlichkeit der Frage zu unterstreichen, schob ich noch ein »Hm? Na?« hinterher.
Aber in seinen Augen war kein verstehendes Leuchten zu sehen. Die ganze Zeit hatte er schon ein Gesicht gemacht wie einer, der nicht ganz mitkommt, und auch jetzt machte er wieder ein Gesicht wie einer, der nicht ganz mitkommt.
»Ich weiß wirklich nicht, Mr. Wooster, wovon Sie eigentlich reden.«
Nun war der Zeitpunkt gekommen, die Bombe hochgehen zu lassen, und zu meiner Freude stellte ich fest, daß das große Flattern, das mich anfangs noch geschüttelt hatte, völlig verschwunden war. Das soll nicht heißen, daß ich von jovialer Gelassenheit gewesen wäre und mich in der Lage gesehen hätte, Staubkörnchen von meinen makellos weißen Spitzenmanschetten zu schnicken, aber ich war ruhig und gefaßt.
Was sich so wohltuend auf mein vegetatives Nervensystem ausgewirkt hatte, war die Vorstellung, daß ich diesem alten Knochen im nächsten Augenblick ein Ding verpassen würde, aus dem er die Lehre ziehen konnte, daß unser Leben hinieden nicht eitel Freude ist. Wenn einem ein Kadi fünf Pfund für etwas abgeknöpft hat, das genaugenommen nur ein Dummejungenstreich war und mit einem strafenden Blick sowie einem mißbilligenden »Du, du!« mehr als ausreichend geahndet gewesen wäre, dann bereitet es einem stets tiefe Genugtuung, diesen Kadi vor Schreck hüpfen zu sehen wie eine Erbse auf einer heißen Schaufel.
»Ich rede von mir und Stiffy.«
»Stiffy?«
»Stephanie.«
»Stephanie? Von meiner Nichte?«
»Richtig, von Ihrer Nichte. Sir Watkyn«, sagte ich, da mir eine besonders originelle Formulierung eingefallen war, »ich habe die Ehre, Sie um die Hand Ihrer Nichte zu bitten.«
»Sie … wie war das?«
»Ich habe die Ehre, Sie um die Hand Ihrer Nichte zu bitten.«
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Das ist doch sehr einfach. Ich möchte Stiffy heiraten. Und sie möchte mich heiraten. Verstehen Sie jetzt, was ich sagen will? Denken Sie noch mal an das, was ich Ihnen von den bandförmigen Seealgen erzählt habe.«
Der Anblick war Gold wert! Bei den Worten »Hand Ihrer Nichte« war er aus seinem Sessel hochgefahren wie ein abschwirrender Fasan. Jetzt sank er wieder zurück und fächelte sich mit dem Bleistift Luft zu. Er schien um Jahrzehnte gealtert.
»Sie möchte Sie heiraten?«
»So ist es.«
»Aber ich wußte gar nicht, daß Sie meine Nichte überhaupt kennen.«
»Oh, doch. Wir zwei sind alte Freunde. Ja, ich kenne Stiffy bestens.
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