Alter Adel rostet nicht
signalisierte. »Dieser Jeeves«, setzte sie dann erklärend hinzu, als wollte sie das Mißverständnis vermeiden, sie meine womöglich den alten Bassett. »Hat er nicht gesagt, es würde funktionieren? Und er hat recht gehabt! Es hat funktioniert. Bertie, meinst du, ich könnte Jeeves einen Kuß geben?«
»Auf keinen Fall!«
»Darf ich dir einen Kuß geben?«
»Nein, danke. Alles, was ich von dir möchte, Fräulein Byng, ist dieses Notizbuch.«
»Aber ich muß irgendwem einen Kuß geben, und ich habe nicht die Absicht, Eustace Oates zu küssen.«
Sie stockte. Ihre Physiognomie nahm einen ernsteren Ausdruck an.
»Eustace Oates!« wiederholte sie nachdenklich. »Den hatte ich vor lauter Aufregung ganz vergessen. Vorhin, als ich auf der Treppe auf mein Stichwort wartete, habe ich mit Eustace Oates ein paar Worte gewechselt, Bertie, und er hat einen sehr unfrohen und grantigen Eindruck gemacht.«
»Wo ist das Notizbuch?«
»Nun vergiß doch mal das Notizbuch. Im Augenblick geht es um Eustace Oates und seinen Gnatz. Er ist hinter mir her wegen dieses Helms.«
»Ach du liebes bißchen!«
»Jawohl. Ich bin der Tat dringend verdächtig. Er hat mir erzählt, daß er jede Menge Krimis liest, und er sagt, das erste, wonach ein Detektiv Ausschau hält, ist ein Tatmotiv. Als nächstes kommt die Frage, ob der Verdächtige Gelegenheit zur Tat hatte, und drittens kommen die Spuren und Beweise. Na, und dann meinte er, mein Groll auf ihn wegen seiner Schikanen gegen Bartholomew sei ein ausreichendes Motiv, und da ich zur Tatzeit draußen unterwegs war, hätte ich auch eine Gelegenheit gehabt. Und was die Beweise betrifft – was glaubst du, was er bei sich hatte, als ich ihn vorhin traf? Einen von meinen Handschuhen! Er hat ihn am Ort der Untat aufgelesen – vermutlich, als er nach Fußspuren oder Zigarrenasche suchte. Du erinnerst dich sicher, daß Harold, als er mir meine Handschuhe brachte, nur einen davon hatte. Den andern muß er verloren haben, während er sich an den Helm heranrobbte.«
Beim Gedanken an diesen neuerlichen Beweis von Stinkers Schusseligkeit und Tölpelei wurde mir ganz schwarz vor Augen, so als hätte mir jemand eins vor die Platte gehauen. Es zeugte wirklich von einer perversen Genialität, wie er sich immer wieder neue Möglichkeiten einfallen ließ, Unheil und Schrecken heraufzubeschwören.
»Das sieht ihm ähnlich!«
»Was meinst du damit?«
»Da, das ist doch typisch für ihn, oder nicht?«
»Du brauchst das gar nicht so gehässig und besserwisserisch zu sagen, als hättest du die Weisheit gepachtet! Ich verstehe dich nicht, Bertie. Andauernd hast du etwas an dem armen Harold auszusetzen. Dabei dachte ich, du magst ihn.«
»Ich liebe ihn wie einen Bruder. Aber das ändert nichts daran, daß ich ihn für den hoffnungslosesten Tolpatsch und Pomuchelskopf halte, der jemals über die Heviter und Jebusiter gepredigt hat.«
»Du bist ein viel größerer Pomuchelskopf!«
»Er ist ein mindestens siebenundzwanzigmal größerer Pomuchelskopf als ich, und seine Tolpatschigkeit fängt überhaupt erst da an, wo meine längst aufgehört hat. Es mag hart klingen, aber er ist sogar ein noch größerer Pomuchelskopf als Gussie.«
Mit sichtlicher Anstrengung schluckte sie die in ihr aufsteigende Wut herunter.
»Lassen wir das mal. Es geht jetzt darum, daß mir Eustace Oates auf den Fersen ist und daß ich schleunigst für diesen Helm ein besseres Versteck finden muß als meine Wäschekommode. Jede Minute können die Sicherheitsorgane kommen und mein Zimmer durchsuchen. Was meinst du, wo ich das Ding verstecken könnte?«
Ich machte eine abweisende Handbewegung.
»Ach, laß dir gefälligst selbst was einfallen. Um auf das eigentliche Thema zu kommen: Wo ist das Notizbuch?«
»Du immer mit deinem Notizbuch, Bertie! Kannst du nicht mal von etwas anderem reden?«
»Nein, kann ich nicht. Wo ist es?«
»Du lachst dich bestimmt tot, wenn ich’s dir sage.«
Ich sah sie streng an.
»Vielleicht werde ich eines Tages mal wieder lachen können, aber erst, wenn ich diesem Haus des Schreckens entronnen bin. Im Augenblick ist das mehr als unwahrscheinlich. Also, wo ist das Notizbuch?«
»Na schön. Wenn du’s unbedingt wissen willst: Ich hab’s in diesem silbernen Sahnekännchen versteckt.«
Sie alle haben sicherlich schon mal von jemandem gelesen, dem plötzlich alles vor den Augen verschwamm. Als ich das hörte, verschwamm Stiffy vor meinen Augen. Es war, als sähe ich sie im dichten Nebel durch eine
Weitere Kostenlose Bücher