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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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schon wieder das Thema.
    »Ach nein?«
    »Jawohl. Leider hat er den Täter nicht erkennen können.«
    »Nein?«
    »Nein. Als sich das Verbrechen ereignete, schaute er gerade in eine andere Richtung.«
    »Es ist natürlich nicht leicht, einen Täter zu erkennen, wenn man gerade in eine andere Richtung schaut.«
    »Jawohl.«
    »Jawohl.«
    Es entstand eine Pause. Obwohl wir uns anscheinend in allen Punkten einig waren, kam mir die Atmosphäre noch immer sehr gespannt vor. Ich versuchte, dem mit einem kleinen Scherzchen abzuhelfen, das mir noch aus Pennälertagen in Erinnerung war.
    »Da fragt man sich doch unwillkürlich ›Quis custodiet ipsos custodes‹, was?«
    »Wie bitte?«
    »Kleiner lateinischer Jokus«, erklärte ich. »Quis – wer – custodiet – soll bewachen – ipsos custodes – die Bewacher selbst. Ich meine, es ist doch ziemlich komisch«, fuhr ich dann fort, damit auch das schwächste Licht es begriffe, »wenn einer, der aufpassen soll, daß einem nichts geklaut wird, selber beklaut wird.«
    »Ach so, ja, ich verstehe. Ich kann mir vorstellen, daß Menschen einer gewissen Gesinnung diesen Vorfall erheiternd finden. Aber ich versichere Ihnen, Mr. Wooster, daß ich als Friedensrichter diesen Vorfall alles andere als erheiternd finde. Vielmehr nehme ich die Angelegenheit bitterernst, und wenn der Schuldige erst einmal gefaßt ist, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um auch diesem den großen Ernst der Angelegenheit voll zu Bewußtsein zu bringen.«
    Es gefiel mir gar nicht, wie er das sagte. Plötzlich erfaßte mich tiefe Besorgnis um Stinkers Wohlergehen.
    »Sagen Sie mal – wieviel bekäme er denn dafür?«
    »Ihr Wissensdurst ehrt Sie, Mr. Wooster, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt möchte ich Sie noch nicht ins Vertrauen ziehen. Um den seligen Lord Asquith zu zitieren: ›Abwarten und Tee trinken.‹ Ich halte es aber durchaus für möglich, daß Ihre Neugier schon in Kürze befriedigt wird.«
    Ich wollte zwar nicht an alte Wunden rühren, denn ich meine, daß man schlafende Hunde nicht wecken soll, aber einen kleinen Versuchsballon, dachte ich, könnte man doch mal starten.
    »Mir haben Sie dafür eine Geldstrafe von fünf Pfund verpaßt«, sagte ich.
    »Das sagten Sie schon heute nachmittag«, erwiderte er mit einem unfreundlichen Blick durch seinen Kneifer. »Aber wenn ich mich richtig erinnere, gaben Sie an, das fragliche Vergehen, dessentwegen Sie mir im Polizeigericht Bosher Street zur Aburteilung vorgeführt wurden, am Abend nach der alljährlichen Regatta zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge begangen zu haben, wo die Ordnungsorgane traditionell eine gewisse Nachsicht walten lassen. Im vorliegenden Fall aber können solche mildernden Umstände nicht geltend gemacht werden. Den kaltblütigen Diebstahl von Staatseigentum aus dem Besitz von Wachtmeister Oates würde ich gewiß nicht mit einer einfachen Geldstrafe ahnden.«
    »Also- Kittchen?«
    »Ich sagte zwar, daß ich Sie nicht ins Vertrauen ziehen wollte, aber nachdem ich so weit gegangen bin, werde ich es doch tun. Ihre Frage, Mr. Wooster, muß ich bejahen.«
    Wir schwiegen. Er saß da und klopfte mit dem Bleistift an seinen Finger, und ich rückte, wenn mich nicht alles täuscht, meinen Krawattenknoten zurecht. Ich machte mir die größten Sorgen. Die Vorstellung, daß man den armen alten Stinker ins finstere Verlies werfen könnte, war aber auch geeignet, jedem, dem Stinkers berufliches Fortkommen am Herzen lag, Kummerfalten über den Rücken zu jagen. Nichts ist ja einem Kaplan beim Aufstieg zu höheren Weihen hinderlicher als eine Latte Vorstrafen.
    Er legte seinen Bleistift beiseite.
    »Nun, Mr. Wooster, Sie wollten mir, glaube ich, gerade den Grund Ihres Kommens nennen.«
    Ich schreckte auf. Natürlich hatte ich meine Mission nicht wirklich vergessen, aber durch dieses finstere Gerede war sie ein bißchen in den Hintergrund gerückt, und als sie jetzt so plötzlich wieder ins Rampenlicht kam, war ich doch etwas verdattert.
    Mir war klar, daß es ohne ein paar einleitende Floskeln nicht gehen würde. Wenn das Verhältnis zwischen zwei Männern gespannt ist, kann der erste Mann dem zweiten Mann nicht rundheraus sagen, daß er dessen Nichte zu ehelichen gedenkt. Jedenfalls nicht, wenn er weiß, was sich gehört. Und wir Woosters wissen das.
    »Ach, äh … ja. Danke, daß Sie mich daran erinnern.«
    »Nichts zu danken.«
    »Ich wollte eigentlich nur mal hereinschauen und ein wenig mit Ihnen

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