Alter Adel rostet nicht
Milchglasscheibe.
»Was hast du?!«
»Ich hab’s in diesem silbernen Sahnekännchen versteckt.«
»Was zum Kuckuck hast du dir denn dabei gedacht?«
»Ach, nichts Bestimmtes.«
»Und wie soll ich es da herausholen?«
Ein feines Lächeln umspielte die Lippen dieser frechen Kröte.
»Ach, laß dir gefälligst selbst was einfallen«, sagte sie. »Mach’s gut, Bertie. Bis bald.«
Sie tippelte davon, während ich mich schwach am Geländer festhielt und versuchte, mich von diesem K.o.-Schlag zu erholen. Noch immer sah ich alles um mich her ganz verschwommen, und kurz darauf bemerkte ich, daß ich von einem verschwommenen Butler angeredet wurde.
»Verzeihung, Sir. Miss Madeline läßt Ihnen mitteilen, daß sie sich gerne mit Ihnen unterhalten würde.«
Ich sah ihn dumpf an wie ein zum Tode Verurteilter, dem der Kerkermeister mitteilt, das Exekutionspeloton sei angetreten. Natürlich wußte ich, was das bedeutete. Ich hatte in der Stimme des Butlers sofort die Stimme des Schicksals erkannt. Es gab nur eins, worüber sich Madeline Bassett gerne mit mir unterhalten würde …
»So, hat sie das gesagt?«
»Jawohl, Sir.«
»Und wo ist Miss Bassett jetzt?«
»Im Salon, Sir.«
»Na, denn!«
Mit Woosterscher Entschlossenheit biß ich die Zähne zusammen. Kopf hoch, Brust raus!
»Gehen wir«, sagte ich zu dem Butler, und dann gingen wir.
10
Die sanft plätschernden Töne einer wehmütigen Melodie, die an mein Ohr drangen, als ich mich dem Salon näherte, trugen nichts, aber auch gar nichts zur Aufheiterung meines Gemüts bei, und als ich eintrat und die Bassett elegisch am Flügel sitzen sah, hätte ich um ein Haar wieder kehrtgemacht. Ich zwang mich aber zu bleiben und eröffnete die Unterredung mit einem zögernden »Tagchen«.
Darauf entgegnete sie zunächst gar nichts. Sie war aufgestanden und musterte mich nun etwa eine halbe Minute lang mit einem tieftraurigen Blick wie die Mona Lisa an einem dieser Tage, an denen der Jammer der Welt mal wieder knüppeldick über sie hereingebrochen war. Endlich, als ich schon drauf und dran war, das peinliche Schweigen mit ein paar Bemerkungen über das Wetter zu brechen, sagte sie etwas.
»Bertie …«
Aber es war ein falscher Alarm. Irgendwo muß bei ihr eine Sicherung ausgefallen sein, denn danach trat wieder Grabesstille ein.
»Bertie …«
Auch nicht besser. Wieder blieb sie stecken.
Ich wurde ein bißchen nervös. So eine Taubstummenbegegnung hatte schon einmal stattgefunden letzten Sommer in Brinkley Court. Aber damals war es mir gelungen, die endlosen Pausen durch ein wenig Action zu überbrücken. Unsere Unterhaltung fand, wie Sie möglicherweise noch wissen, im Speisezimmer von Brinkley statt, wo ein kaltes Büffett aufgebaut war, und ich empfand es als sehr wohltuend, ihr ab und zu mal ein Russisches Ei oder eine Käsestange reichen zu können. In Ermangelung solcher Nahrungs- und Genußmittel waren wir jetzt gezwungen, uns die meiste Zeit einfach wortlos anzusehen, und so was ist auf die Dauer ziemlich belastend.
Dann öffneten sich ihre Lippen. Ich merkte, daß da etwas herauswollte. Sie schluckte erst noch ein paarmal, und danach ging es recht gut.
»Bertie, ich muß mit dir reden … Ich habe dich hergebeten, weil ich dir sagen wollte … Es ist nämlich so … Bertie, ich bin nicht mehr mit Augustus verlobt.«
»Ja.«
»Wußtest du das schon?«
»Na klar. Er hat’s mir doch erzählt.«
»Dann kannst du dir sicher auch denken, warum ich dich hergebeten habe. Ich wollte dir sagen …«
»Ja.«
»… daß ich dich gerne …«
»Ja, ja.«
»… glücklich machen will.«
Für einen Augenblick wurde sie wieder durch ihre alten Schluckbeschwerden unterbrochen, aber sie war schnell darüber hinweg, und dann kam’s heraus.
»Ich möchte deine Frau werden, Bertie.«
In dieser Situation hätte es wahrscheinlich kaum noch einer fertiggebracht, sich gegen das Unvermeidliche zur Wehr zu setzen, aber ich versuchte es trotzdem noch mal. Wenn es um so lebenswichtige Dinge geht, wäre man doch blöd, wenn man irgendeine Chance ungenutzt ließe.
»Das ist natürlich wahnsinnig nett von dir«, sagte ich charmant. »Ist mir eine große Ehre und so weiter. Aber hast du dir das auch richtig überlegt? Glaubst du nicht, daß du dem armen Gussie damit einen schweren Schlag versetzt?«
»Was! Nach allem, was heute abend geschehen ist?«
»Siehst du, darüber wollte ich gerade mit dir reden. Ich finde, in solchen Fällen ist es immer gut, den Rat eines
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