Alter Adel rostet nicht
erfahrenen Mannes einzuholen und sich umfassend zu informieren, bevor man etwas Voreiliges tut. Du möchtest doch nicht später verzweifelt die Hände ringen und dir sagen: ›Ach, hätte ich das nur gewußt!‹ Oder? Also, wenn du mich fragst, müßte der ganze Fall noch mal aufgerollt werden, und zwar gründlich. Meiner Ansicht nach tust du Gussie sehr unrecht.«
»Unrecht? Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen …«
»Ja, aber aus der falschen Perspektive. Ich werd’s dir erklären.«
»Da gibt es nichts zu erklären. Wir wollen nicht mehr darüber sprechen, Bertie. Ich habe Augustus aus meinem Leben gestrichen. Bis heute abend habe ich ihn nur mit den verklärten Augen der Liebe gesehen und ihn für den perfekten Ehemann gehalten. Aber dann hat er mir gezeigt, was er wirklich ist – ein Wüstling!«
»Darauf will ich ja gerade hinaus. Da bist du nämlich auf dem Holzweg. Er ist …«
»Ich möchte nicht mehr darüber reden.«
»Aber …«
»Bitte!«
»Hm. Na schön.«
Ich hüllte mich in Schweigen. Was nützt einem die schönste Alles-verstehen-heißt-alles-verzeihen-Strategie, wenn einem das weibliche Gegenüber gar nicht zuhört.
Sie wandte sich ab, vermutlich, um ein stilles Tränchen zu vergießen, und es entstand eine kurze Pause, in der sie sich mit dem Taschentuch die Augen betupfte, während ich diskret wegsah und die Nase in ein Gewürzsträußchen steckte, das auf dem Flügel stand.
Dann meldete sie sich wieder zu Wort.
»Es ist zwecklos, Bertie. Ich verstehe natürlich, weshalb du das sagst. Du tust es aus Güte und Großmut, denn du würdest alles tun, um einem Freund zu helfen, auch wenn du damit dein eigenes Glück opferst. Aber du kannst mich nicht mehr umstimmen. Ich habe mit Augustus endgültig gebrochen. Von jetzt an wird er für mich nur noch eine Erinnerung sein – eine Erinnerung, die mit den Jahren immer mehr verblaßt, während unsere Bindung ständig fester wird. Du wirst mir helfen, ihn zu vergessen. Mit deinem Beistand wird es mir allmählich gelingen, mich innerlich vollkommen von Augustus zu lösen … Und nun sollten wir zu Daddy gehen und ihm alles sagen.«
Mir stockte der Atem, denn ich sah noch deutlich vor mir, was für ein Gesicht Papa Bassett gemacht hatte, als er glaubte, mich demnächst als Neffen verkraften zu müssen. Dafür, daß ihm das erspart geblieben war, dankte er vermutlich jetzt noch seinem Schöpfer mit bibberndem Herzen, und da wäre es doch, fand ich, für den alten Knaben ein arger Schock, wenn man ihm sagte, daß ich nun sogar sein Schwiegersohn werden sollte. Papa Bassett lag mir zwar nicht, aber man ist ja schließlich kein Unmensch.
»Um Gottes willen!« sagte ich. »Tu das nicht!«
»Aber ich muß ihm doch sagen, daß ich jetzt deine Frau werde. Er glaubt ja, daß ich morgen in drei Wochen Augustus heirate.«
Das war natürlich ein Argument. In solchen Fragen sollte man seinen alten Herrn auf dem laufenden halten. Man kann die Dinge nicht einfach schleifen lassen, sonst steht der arme Kerl eines schönen Tages mit Zylinder und einer Nelke im Knopfloch vor der Kirche und muß feststellen, daß die Hochzeit abgeblasen worden ist und niemand ihm davon ein Sterbenswörtchen gesagt hat.
»Wenigstens heute abend brauchst du’s ihm ja noch nicht zu sagen«, beschwor ich sie. »Laß ihm seinen guten Glauben ein Weilchen. Er hat nämlich gerade erst einen schweren Schock erlebt.«
»Einen Schock?«
»Ja. Er ist noch nicht ganz bei sich.«
Besorgt riß sie die Augen auf, die leicht hervorzuquellen schienen.
»Dann hatte ich also doch recht. Als ich ihn vorhin aus der Bibliothek kommen sah, hatte ich nämlich auch den Eindruck, daß er nicht ganz bei sich sei. Er wischte sich dauernd die Stirn und rang nach Luft. Und als ich mich erkundigte, was denn los sei, meinte er, wir hätten alle unser Kreuz zu tragen, aber eigentlich dürfe er nicht klagen, denn es hätte ja alles noch schlimmer kommen können. Ich verstand kein Wort. Dann sagte er, er werde jetzt ein heißes Bad nehmen, drei Aspirin schlucken und sich anschließend ins Bett legen. Was hat das zu bedeuten? Was ist geschehen?«
Es würde eine ohnehin schon komplizierte Situation nur noch komplizierter machen, dachte ich, wenn ich ihr die ganze Geschichte erzählte. Daher beschränkte ich mich auf einen Teilaspekt.
»Stiffy hat ihm gerade eröffnet, daß sie den Kaplan heiraten will.«
»Stephanie? Den Kaplan? Mr. Pinker?«
»Genau. Den guten alten Stinker Pinker. Und darüber hat
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