Alter Hass rostet nicht
sah, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Mr High empfing uns am Besuchertisch. Wie seine Sekretärin versprochen hatte, standen drei dampfende Tassen Kaffee auf dem Tisch und verbreiteten einen angenehmen Duft im Raum.
»Wie kommen Sie voran?«, erkundigte er sich, nachdem wir in den bequemen Ledersesseln Platz genommen hatten.
Oft sind die einfachsten Fragen am schwierigsten zu beantworten.
»Wir verfolgen im Moment zwei Spuren, von denen wir nicht wissen, ob sie beide mit dem Mord an Colin Banks zu tun haben.«
Mr High hob fragend die Augenbrauen. Phil übernahm.
»Vergangene Nacht wurde ein Brandanschlag auf eins der beiden Häuser in der Pleasant Avenue verübt, die im Mittelpunkt des sogenannten ›Häuserkampfs in Harlem‹ stehen.«
»Hat Banks nicht die Partei der Mieter vertreten?« Wie immer zeigte sich der Chef bestens informiert.
Phil nickte. »Nächste Woche wird der Fall vor Gericht verhandelt. So kurz vor dem Termin seinen juristischen Beistand zu verlieren ist sicher kein Vorteil.«
»Damit hätten wir ein mögliches Mordmotiv«, konstatierte Mr High nachdenklich. Er erhob sich und trat an das Panoramafenster, von wo aus man einen fantastischen Blick über die Bowery und die Lower East Side hatte.
»Wer hat den Anschlag verübt?«, wollte er wissen.
»Zwei Jugendliche, die offenbar für diesen Job angeheuert worden sind. Einer ist erst vor zehn Tagen aus Rikers Island entlassen worden.«
»Warum war er dort?«
»Diebstahl, Betrügereien, Körperverletzung. Interessanter ist, mit wem er sich die Zelle geteilt hat.«
Ohne die Hände von der Fensterbank zu nehmen, wandte Mr High sich zu meinem Partner um.
»Andrew Rowling, Künstlername Rocky. Einen Tag vor dem Mord an Banks ist er bei einem Krankentransport seinen Wächtern entkommen. Seitdem ist er flüchtig.«
Mr High legte grübelnd die Stirn in Falten. »Ich habe den Namen schon einmal gehört …«
Jetzt ergriff ich wieder das Wort.
»Es ist schon ein paar Jahre her. Rocky soll an einem größeren Drogendeal beteiligt gewesen sein. Es ging um eine Lieferung reiner Cocapaste aus Ciudad Juarez im Wert von über 20 Millionen Dollar. Die Paste sollte in Labors in Queens und New Jersey weiterverarbeitet werden.«
Mr High trat vom Fenster zurück und setzte sich wieder zu uns.
»Ich erinnere mich. Im Prozess kam es zu einem Eklat. Rocky beschuldigte einen der Anwälte, die ihn verteidigten, ihn aus persönlichen Gründen und wider besseres Wissen ans Messer geliefert zu haben. Angeblich wollte er ihn nur aus dem Weg räumen, um freie Bahn bei seiner Frau zu haben.«
Phil und ich sahen uns an.
»Dieselbe Geschichte hat der Junge erzählt, der mit Rocky in einer Zelle gesessen hat. Und dass er die ganze Zeit seine Unschuld beteuert hat.«
»Aber wo ist die Verbindung zu Colin Banks?« Mr High sah uns fragend an.
»Vielleicht war Banks der Anwalt, der dafür gesorgt hat, dass Andrew Rowling hinter Gitter kam.«
Mr High nickte nachdenklich.
»In dem Fall hätte er wirklich ein starkes Motiv gehabt. Überprüfen Sie das.«
»Außerdem müssen wir herausfinden, wer ihm bei der Flucht geholfen hat. Nach allem, was wir über den Ablauf wissen, war sie von langer Hand vorbereitet.«
Mr High nickte Phil zu und wandte sich an mich.
»Sie erwähnten eine zweite Spur.«
»Wir haben auf dem Laptop von Colin Banks die Website einer Galerie im Garment District gefunden. Mimi Blum . Klein, aber teuer. In der letzten Zeit hat er diese Seite mehrfach besucht.«
»Obwohl er laut Aussage seiner Frau keinerlei Interesse an Malerei hatte«, fügte mein Partner hinzu.
»Offenbar hat er die Galerie auch persönlich besucht. Für jemanden, der sich nichts aus Kunst macht, ein einigermaßen merkwürdiges Verhalten.«
»Genauso merkwürdig wie die Dinge, die in dieser Galerie offenbar vor sich gehen«, ergänzte Phil. »Es gibt Anzeichen dafür, dass wir einer internationalen Kunstfälscherbande auf die Spur gekommen sind.«
Mr High lehnte sich zurück. »Welche Rolle spielte Colin Banks dabei?«
Ich zuckte die Schultern. »Das wissen wir noch nicht. Möglicherweise haben die beiden Fälle auch nichts miteinander zu tun.«
»Bleiben Sie trotzdem dran. Ich glaube nicht an Zufälle. Wenn Sie im Rahmen der Mordermittlung auf diese Galerie gestoßen sind, hat sie auch etwas damit zu tun.«
Unser Chef erhob sich, was immer ein untrügliches Zeichen dafür war, dass die Unterredung beendet war.
»Viel Glück«, wünschte er uns zum
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