Alter Hass rostet nicht
vom Hausherrn ein wenig in den benachbarten Räumen umsah. Das konnte nicht schaden.
»Colin Banks hat sich sehr für Ihre Galerie interessiert«, erwiderte ich. »Er hat Ihre Homepage regelmäßig besucht und war vermutlich auch persönlich hier.«
Ich blickte mich demonstrativ in dem leeren Raum um.
»Bei dem regen Publikumsverkehr hätte Ihnen das eigentlich auffallen müssen.«
Michael Blum hatte seine Selbstsicherheit inzwischen wiedergefunden.
»Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen. Wäre er schon mal hier gewesen, hätte ich ihn mit Sicherheit wiedererkannt.«
Ich war mir sicher, dass er genau das getan hatte.
In dem Moment sah Michael Blum, wie Phil aus dem Nachbarraum zurückkam. Augenblicklich lief er rot an.
»Was fällt Ihnen ein, hier herumzuschnüffeln!?« fuhr er meinen Partner an. »Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren!«
Phil beachtete ihn gar nicht und nickte mir zu.
»Sieh dir das mal an.«
Ich folgte ihm durch den Nebenraum in eine Art Kabinett, das hinter einem unscheinbaren Vorhang versteckt war. Es war klein, dunkel und fensterlos. Nur eine nackte Glühbirne, die von der Decke hing, verbreitete ein trübes, grünliches Licht. An den Wänden hingen einige gerahmte Bilder, andere stapelten sich ungeordnet auf dem Boden.
Michael Blum war außer sich.
»Das ist Hausfriedensbruch! Das wird Sie Ihren Job kosten! Mein Anwalt wird Sie …«
Er brach ab, als er erkannte, dass nichts mehr zu retten war. Schlagartig änderte er seine Strategie und spielte den Zerknirschten.
Ich verstand immer noch nicht, warum ich mir diesen Raum unbedingt ansehen sollte, und sah Phil fragend an. Er deutete auf die Signatur in der rechten unteren Ecke eines Bildes.
»Der Name des Malers. Canaletto. Na, fällt der Groschen jetzt?«
Ich überlegte kurz, dann fiel es mir ein. »Der Katalog bei Banks’ Witwe.«
»Richtig. Er muss also hier gewesen sein.«
Phil fixierte Michael Blum scharf. »Geben Sie endlich zu, dass Sie Colin Banks kannten!«
Der Galerist wich zurück, als hätte er Angst, Phil könnte ihm eine verpassen.
»Bekomme ich jetzt Probleme mit der Versicherung?«
Ich tauschte einen fragenden Blick mit meinem Partner.
»Dieser Banks war doch sicher im Auftrag meiner Versicherung hier …?«
Phil deutete auf die Gemälde. »Wollen Sie damit sagen, dass diese Bilder nicht versichert sind?«
Michael Blum wich seinem inquisitorischen Blick verlegen aus. »Wissen Sie, was ein echter Canaletto kostet? Die Versicherungssumme würde mich ruinieren!«
Ich warf einen Blick auf die Gemälde, auf denen hauptsächlich Landschaftsidyllen und imposante Gebäude zu sehen waren.
»Woher stammen die Bilder?«
»Aus der Sammlung Kailee Anderson.«
»Wer steckt dahinter?«
Michael Blum breitete theatralisch die Arme aus. »Die Dame scheut das Licht der Öffentlichkeit.«
»Ist Anderson ihr richtiger Name?«
»Das müssen Sie sie schon selbst fragen. Ich persönlich bin ihr noch nie begegnet.«
»Aber Sie wissen, wo sie wohnt?«
»Ich bedaure außerordentlich. Alles, was ich habe, ist eine E-Mail-Adresse.« Er genoss meine Überraschung sichtlich.
»Sobald ein neues Bild auftaucht, schickt sie mir ein Foto und nennt den Preis. Wenn wir uns einig sind, steht es am nächsten Tag in meiner Galerie.«
Eine ungewöhnliche Art, Geschäfte mit millionenschweren Bildern abzuwickeln.
»Ich lasse die Echtheit von einem Gutachter prüfen, und sobald er grünes Licht gibt, überweise ich den vereinbarten Betrag. Und suche einen Käufer.«
»Von wem lassen Sie die Bilder prüfen?«
»John Reeves. Ehemaliger Mitarbeiter des Museum of Modern Art. Wohnt nicht weit von hier. Am Chelsea Park.«
Dieser Fall wurde immer mysteriöser.
Das MoMA schien mir genau die richtige Adresse zu sein, um etwas Licht in die Sache zu bringen.
***
»Was hältst du von dem Kerl?« Phil verschränkte die Arme hinterm Kopf und hatte das Seitenfenster geöffnet. Ich hatte Kurs auf Midtown genommen und lenkte den Jaguar durch den munter fließenden Vormittagsverkehr.
»Undurchsichtig«, versuchte ich meinen Eindruck in einem Wort zusammenzufassen. »Sein Geschäftsgebaren ist, gelinde gesagt, unkonventionell, und dass er die kostbaren Kunstwerke nicht versichern lässt, ist fahrlässig und dilettantisch.«
Phil nickte nachdenklich. Wie so oft waren wir uns bei der Beurteilung eines Menschen völlig einig.
»Glaubst du, er hat Banks wirklich für einen Undercover-Mitarbeiter seiner Versicherung
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