Alter Hass rostet nicht
gehalten?«
»Das frage ich mich auch. Mir kam die Geschichte reichlich konstruiert vor.«
»Ein Ablenkungsmanöver?«
»Möglicherweise. Vielleicht will er uns den wahren Grund für Colin Banks’ Besuche in seiner Galerie verschweigen.«
»Vorausgesetzt, es gab einen Grund.«
Ich sah fragend zu Phil hinüber.
»Hast du schon mal daran gedacht, dass er sich vielleicht nur die schönen Bilder ansehen wollte?«
»In dem Fall wäre unser Ausflug nach Midtown reine Zeitverschwendung«, sagte ich seufzend und bog in die 53rd Street ein.
Gespielt vorwurfsvoll schüttelte mein Partner den Kopf.
»Wie kannst du so etwas sagen, Jerry. Der Besuch eines Museums ist immer bereichernd und erweitert den persönlichen Horizont.«
»Dann solltest du dir unbedingt eine Jahreskarte besorgen«, konterte ich lächelnd und lenkte den Jaguar an den Straßenrand.
Ich hatte den Direktor des Museums telefonisch kurz über unseren Besuch unterrichtet. Er erwartete uns am Ticketschalter. Wir wiesen uns aus, dann führte er uns an den Aufzügen vorbei nach draußen in den Skulpturen-Garten, wo wir auf einer futuristisch anmutenden Bank aus dunklem Eukalyptus Platz nahmen.
»Natürlich erinnere ich mich an John Reeves«, begann er zögernd. »Er war ein, nun ja, problematischer Mitarbeiter.«
»Ich welcher Hinsicht problematisch?«
»Ein Fachmann, keine Frage. Besonders für die italienischen Maler des 18. Jahrhunderts. Aber er kam mit den Kollegen nicht klar. Ständig gab es Streit und Auseinandersetzungen. Meistens wegen Kleinigkeiten. Als er uns verließ, waren einige Leute erleichtert.«
»Wie lange hat er hier gearbeitet?«
»Vier Jahre. Immerhin.«
»Wussten Sie, dass er seitdem als Gutachter für verschiedene Galerien tätig ist?«
»Ich habe davon gehört.«
Das klang ausgesprochen reserviert.
»Er gilt als Experte für Bilder von Canaletto.«
Der Direktor des MoMA schwieg, aber sein Schweigen sagte mehr als tausend Worte.
Das blieb auch Phil nicht verborgen. »Haben Sie schon mal von einer Sammlung Kailee Anderson gehört?«
»Allerdings.« Er zischte das Wort mehr, als dass er es sprach.
»Sind Sie Kailee Anderson schon einmal persönlich begegnet?«
Der Direktor erhob sich abrupt und sah uns abweisend an.
»Tut mir leid, Agents, aber ich möchte das Gespräch an dieser Stelle lieber beenden.«
Phil und ich sahen uns verblüfft an. Mit einer solchen Reaktion hatten wir nicht gerechnet. Offenbar hatten wir in ein Wespennest gestochen.
»In dem Fall werden wir Sie morgen zu einer Vernehmung ins Field Office einbestellen.«
Das gefiel ihm sichtlich wenig, was ich auch beabsichtigt hatte.
»Was wollen Sie wissen?«, fragte er gepresst.
Ich sah ihn eindringlich an.
»Was stimmt mit dieser Sammlung nicht?«
Der Direktor des MoMA senkte seine Stimme.
»Seit einiger Zeit gibt es Gerüchte über gefälschte Canalettos. In dem Zusammenhang taucht immer wieder der Name Kailee Anderson auf. Aber das haben Sie nicht von mir, Agents!«
Er nickte uns kurz zu und eilte hastig davon.
Phil stieß einen Pfiff aus. »Es fing an mit einem bizarren Mord, dann kam ein Häuserkampf dazu, ein Brandanschlag, und jetzt auch noch Kunstfälschung. Ich bin gespannt, was uns als Nächstes erwartet.«
***
John Reeves’ Wohnung befand sich in einem kernsanierten Altbau mit kobaltblauen Fenstern und einer Eingangstür so breit wie das Tor einer Doppelgarage. Wir wiesen uns beim Doorman aus und nahmen den Aufzug in die siebte Etage.
Auf der siebten Etage gab es zwei Wohnungen. Vor Reeves’ Tür standen vier Koffer, darüber lagen ordentlich gefaltet mehrere Kleidersäcke. Die Tür war nur angelehnt. Ich stieß sie auf.
»Mister Reeves? – FBI!«
Seine Schrecksekunde dauerte ungefähr eine halbe Minute. Dann polterte es im letzten Zimmer am Flur, ein unterdrückter Fluch war zu hören, dann erschien John Reeves in der Tür und starrte uns panisch an.
»John Reeves?«
Er nickte zweimal. Ich hatte den Eindruck, dass seine Zähne vor lauter Nervosität klapperten. Wir zeigten ihm unsere Dienstmarken.
»Special Agents Cotton und Decker. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
»Das passt im Moment leider schlecht«, erwiderte Reeves, wobei er sich bemühte, seine Stimme möglichst fest klingen zu lassen. »Ich habe Urlaub und bin gerade auf dem Weg zum Flughafen. Mein Flieger geht um …«
»Vergessen Sie Ihren Flieger«, fiel ich ihm ins Wort. »Wir brauchen Sie im Rahmen einer Mordermittlung. Sie dürfen die
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