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Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Titel: Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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Zauberei, sprich vom Hexenwissen, versteht. Frauen, die sich in der Macht eines Taile-Mannes wiederfinden, brauchen die Kraft der Hexenschwester, um sich weiter zu entwickeln, um sich zu befreien. Diese kann von außen kommen, etwa in der Gestalt einer starken, autonomen, kriegerischen Freundin, die sich ihrer Eigenmacht und Zauberkraft bewusst ist.
     
    Auf der anderen Seite ist solch eine hilfreiche Schwester natürlich auch ein Spiegel für die innere schlafende Hexenenergie, für die bisher ungenützten Möglichkeiten in Richtung Autonomie, Eigenmacht und Stärke. Es gibt immer noch so viele Taile-Männer, die Schwesternfreundschaften boykottieren, ihre Frau ganz für sich allein haben, sie »fressen« wollen. Oft bedarf es wie in dieser Geschichte einer extremen Notsituation, wo es (zumindest symbolisch) um Leben oder Tod geht, damit eine Frau das Klopfsignal der inneren/äußeren Hexe hört und darauf antwortet.
     
    Durch die Begegnung mit der Hexenschwester ist die Schöne frei geworden, sie ist zur ganzen Frau geworden. Wie sehr sie sich verändert hat, spürt man bei der Darstellung ihrer Flucht. Sie spricht mit den Bäumen und Büschen, hat also eine Erd- und Naturnähe gefunden, die am Anfang nicht zu erahnen war. In gewisser Hinsicht hat sie den Bezug zur Mutter wiederhergestellt, in dem Fall zur Großen Mutter, zu Mutter Erde.
     
    Die wieder gewonnene Natürlichkeit und ursprüngliche Wildheit zeigt sich auch in der Szene, als sie auf den kleinen Busch pisst. Welch ein Gegensatz zu der vornehmen Lady, als die sie am Anfang der Geschichte gezeichnet wird! Übrigens ist es sehr häufig im Märchen, dass der fehlende Kontakt zur leiblichen Mutter, das Defizit im Mutterreich dadurch geheilt wird, dass man zur Großen Mutter geht, zu Mutter Erde, zu Mutter Natur, die immer für einen da ist, einen immer nährt. Auf der Basis dieses neu gewonnenen Vertrauens kann später das Abenteuer Beziehung wieder gewagt werden.
     
    In diesem Märchen geschieht das nicht. Die Schöne heiratet am Schluss nicht noch einmal, was man auch verstehen kann nach dieser Erfahrung mit Taile. Aber zumindest kehrt sie mit einem neuen Erfahrungsschatz an den Königshof zurück, ist mit Sicherheit eine andere als am Anfang der Geschichte. Was sie mit diesem neu gewonnenen Erfahrungsschatz anfangen wird, wer weiß es?
     
    Auch diese Geschichte müsste weitergeschrieben werden, aber zumindest hat die Schöne von Taman es im Gegensatz zu Dewi Ngalima geschafft, sich mit ihrer Hexenseite anzufreunden, eine ganze Frau zu werden. Und als diese wird sie sich mit einer anderen Haltung der Herausforderung einer neuen Begegnung stellen können. Und – sie erzählt überall ihre Geschichte! Vielleicht kann sie dadurch nun selbst eine gute Schwester für andere Frauen werden, die sich in den Klauen eines Taile-Mannes befinden, eine verwundete Heilerin? Wer weiß, vielleicht wird sogar ihr Vater zuhören und nachdenklich werden.
     
    Und Taile? Er wird von zwei alten Frauen, die man wohl als Rachegöttinnen verstehen kann, geblendet und geht elendig zugrunde. Was bedeutet das? Zunächst einmal hat die Blendung auch positive Aspekte. Man denke an die blinden Seher, die es in vielen Geschichten gibt, etwa an Teiresias in der griechischen Mythologie. Wenn sich die äußeren Augen schließen, wird die Möglichkeit des inneren Sehens geboren, der Kontakt zum Unbewussten.
     
    Und genau das ist es ja, was sowohl Taile als auch König Schautelur, den männlichen Hauptdarstellern in dieser Geschichte, fehlt. Andererseits ist mit dem Verlust des Augenlichts natürlich eine Ohnmachtserfahrung verbunden, das Erlebnis der Aussichtslosigkeit. Aber eine einseitig machtorientierte Haltung wie die Tailes fordert eine solche Schicksalserfahrung geradezu heraus (siehe auch die folgende Geschichte „Vom Fürsten, der zum Dämon wurde“).
     
    Manches erinnert an das Grimmsche Märchen „Vom Königssohn, der sich vor nichts fürchtet“. Dieser Königssohn geht durch die Welt mit der Haltung: »Ich kann alles, wozu ich Lust habe!« Auch er wird geblendet, als er aber später durch das Wasser des Lebens sein Augenlicht wiederbekommt, der verwünschten Prinzessin begegnet und diese ihn fragt: »Willst du mich erlösen?«, da antwortet er interessanterweise: »Mit Gottes Hilfe will ich es versuchen!«
     
    Also ist diese Dunkelphase für den Königssohn geradezu heilsam gewesen, er hat eine neue Sichtweise bekommen. Er handelt nicht mehr aus dem Ego heraus: Ich

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