Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)
kann. Ich will. Er handelt jetzt in Einklang mit seinem Selbst, der transpersonalen, göttlichen Kraft. »Mit Gottes Hilfe will ich es versuchen!« könnte man auch übersetzen mit: »Dein Wille geschehe!« Um diese Lektion zu lernen, brauchen wir, gerade wenn wir wie Taile auf dem Machttrip sind, allerdings oft solch eine schmerzhafte Wandlungserfahrung.
Dass Taile am Ende der Geschichte stirbt, könnte man auch übersetzen damit, dass die »Taile-Haltung« am Ende ist, zugrunde gehen muss. So sehr er am Anfang der Geschichte – als er noch verliebt war und sich auf die Suche nach der Prinzessin gemacht hat – durchaus auch positive Züge trug, so einseitig destruktiv wird er später dargestellt. Diese Einseitigkeit hat kein Mitgefühl verdient. Sie will, sie muss sterben und damit geht es ihm genauso wie seinem Seelenbruder (bzw. seelenlosen Bruder) im deutschen Märchen von Blaubart.
4.5. Vom Fürsten, der ein Dämon wurde
Wenn das Lagerfeuer brennt und der Rauch in die Nasen steigt, kommt es vor, dass einer der ältesten Jäger nachdenklich wird und sagt: »Hört ihr, Jäger, wie der gefällte Baum stöhnt? Brüder, hört ihr das Rauschen seiner Blätter? Haltet euch auf den rechten Pfaden, ihr tapferen Freunde! Es ist der Dämon der Jäger, der euch ruft.« Und er erzählte die alte Geschichte:
Einmal lebte in unserem Land ein Fürst, der von der Jagd besessen war. Ganze Tage verbrachte er in den Dickichten des Dschungels. Er folgte der Spur des Tigers, und wenn es ihm nicht gelungen war, das Wild zu treffen, kehrte er ermüdet und missmutig heim. Eines Tages nahm er sich vor, den allergrößten Tiger zu erlegen, den je ein menschliches Auge erblickt hatte.
Es kümmerte ihn nicht, dass seine Frau daheim ein Kind erwartete. Unablässig lauschte er nur den Stimmen der Wildnis und begab sich wieder auf die Jagd. Die Gier nach dem Blut des Tigers hatte ihn so verblendet, dass er sogar vergaß, den Göttern ein Opfer zu bringen. Die Alten warnten ihn deswegen, doch der Fürst lachte nur und zerschnitt ein starkes Palmblatt mit der scharfen Klinge seines Messers.
»Dieser Dolch allein ist mein Freund und Beschützer!«, prahlte er. »Mag sich nur jeder melden, der seine scharfe Klinge nicht fürchtet.« Dann warf er sich ins Dickicht der Kletterpalmen und folgte begierig den Stimmen der wilden Tiere.
Wenn er erfolglos von der Jagd zurückkam, betrank er sich am Lagerfeuer mit Palmwein, und mit lallender Zunge verlästerte er den Dschungel: »Ich rufe euch, ihr feigen Herrscher des Waldes! Dich rufe ich, du blutrünstiger Tiger! Ich lade euch ein, meinen Dolch aus der Nähe zu betrachten. Kommt nur her, um mich zu holen.«
Da tönte von nahe ein furchtbarer Tigerschrei, und am Rand des Dschungels war ein riesiger Schatten zu sehen.
»Wir werden dich holen«, flüsterte der Dschungel, und im Dickicht glühten die Lichter von wilden Augen. Der Radscha stutzte. Doch dann lief er unerschrocken in den dunklen, geheimnisvollen Regenwald. Seine Freunde folgten ihm zögernd. Sie riefen jedoch vergebens nach ihm, der Herrscher meldete sich nicht mehr.
Er schlug sich einen Pfad durch das Bambusdickicht und das Netz der Kletterpalmen. Er riss den wilden Farn aus dem feuchten Erdboden und stolperte über morsche Baumstämme. Der Schatten des riesigen Tigers schien zum Greifen nahe zu sein. Als er aber schon zum Todesstoß ausholen wollte, schlangen sich die federnden Lianen um seine Füße und fesselten ihn, sodass er kaum noch gehen konnte.
»Sei willkommen, Brüderchen«, ertönte da plötzlich eine spöttische Stimme aus nächster Nähe, und über sich erblickte der entsetzte Radscha den Kopf des blutrünstigen Tigers. Er wollte sich aus der Umschlingung der Lianen befreien, doch das Raubtier knurrte: »Du mühst dich vergebens, törichter Mensch! Du bist dem Dschungel verfallen.«
»Wer bist du?«, fragte der Fürst beklommen. »Dein Tigerfell täuscht: Du bist in Wirklichkeit kein Tier!«
»Ich bin der Dämon, der über die Geister des Waldes herrscht. Du hast mein Volk beleidigt, den Dschungel verlästert. Deshalb nehme ich dir auf ewig deine menschliche Gestalt. Du sollst so lange eine Tierhaut tragen, bis ein tapferer Jäger mit seinem Messer dein Herz durchbohrt. Dann aber wirst du dich in einen Dämonen verwandeln. Ich nehme dich dann in mein Volk auf. Ein Mensch kannst du niemals mehr werden!«
Der Tiger verstummte und verschwand. Vergeblich rief
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