Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
viel zu schnell, um vor dem Abgrund noch anhalten zu können.
Plusch wartete den allerletzten Augenblick ab, und erst als ihre Vorderpfoten ins Leere griffen, drückte sie sich mit all ihrer Kraft ab, um über die Straße auf das gegenüberliegende Gebäude zu springen.
Sie hatte gerade einmal zwei Drittel der Strecke zurückgelegt, als sie an Geschwindigkeit und Höhe verlor.
Es war vorbei.
Sie würden fünfzehn Meter in die Tiefe stürzen.
34. Gedankenlesen
M att und Plusch rasten haltlos auf den Boden zu.
In ihren Körpern verrutschten die Organe.
Sie würden sterben.
Da warf sie eine unsichtbare Kraft nach vorn, und Plusch landete im Flur des dachlosen Gebäudes. Wankend und mit zitternden Beinen kam die Hündin zum Stehen, während sich Matt verzweifelt an ihren Rücken klammerte. Sie waren dem Tod nur knapp entronnen.
Ambre stand auf der anderen Seite, die Hand ins Leere gestreckt. Dann sprang Floyd auf Marmit über den Abgrund, und Ambre half auch ihnen auf dem letzten Stück und setzte sie neben Matt ab.
Mit ihrer Alteration brachte sie einen nach dem anderen in Sicherheit, bis nur noch sie selbst, Tobias und Gus übrig waren.
Die Ratten umzingelten die drei, bevor Gus abspringen konnte, und der Stelzenläufer stürzte von hinten auf sie zu.
Matt stieß einen frustrierten Schrei aus. Am liebsten wäre er wieder zurück auf die andere Seite gesprungen.
Die Ratten griffen nicht an, sondern ließen den Stelzenläufer vorbei, der seine Hand nach Tobias und Ambre ausstreckte.
Da vibrierte plötzlich die Luft.
Ein so lauter Knall erschütterte die Atmosphäre, dass sich konzentrische Kreise bildeten, als wäre die Luft ein See, in den man einen Stein geworfen hat. Die Schallwellen liefen vor dem Stelzenläufer zusammen und durchschnitten ihn in der Körpermitte.
Ambre hatte die ganze Kraft ihrer Alteration, verstärkt durch das Herz der Erde, in den Schlag gelegt.
Der Stelzenläufer klappte lautlos in sich zusammen. Seine Innereien quollen aus den beiden Körperhälften hervor, und unter ihm breitete sich eine Pfütze tintenblauen Bluts aus.
Die Ratten wichen völlig überrumpelt zurück. Dann fassten sie sich wieder und rannten auf Gus los.
Ein Tornado erhob sich aus dem Nichts und fegte sie in wenigen Sekunden fort. Sie flogen davon wie Papierfetzen in einer Böe.
Ambres Haare wirbelten um ihren Kopf, und plötzlich fiel Matt auf, dass Gus nicht mehr den Boden berührte, er schwebte mehrere Zentimeter darüber. Tobias klammerte sich erschrocken an Ambres Taille.
Sie setzte eine ungeheure Energie frei. Ihre Macht war viel größer, als Matt vermutet hatte. Er hatte geglaubt, dass sie bei der Großen Schlacht alles gegeben hatte, doch jetzt wurde ihm klar, dass Ambres Kraft seitdem noch zugenommen hatte. Außerdem konnte sie immer besser damit umgehen.
Gus flog über die Straße hinweg und landete etwas verdattert inmitten seiner Artgenossen.
Ambre blinzelte, als wäre sie kurz davor, in Ohnmacht zu fallen, fasste sich aber wieder. Tobias half ihr, sich aufrecht auf ihrem Hund zu halten, und sie gab den anderen mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass alles in Ordnung war.
Ein Schrei gellte durch die Nachtluft, dann ein weiterer, etwas weiter weg, gefolgt von einem dritten.
»Foltergeister!«, schrie Matt.
Floyd trieb Marmit mit den Fersen an, und sie sprang die Treppe hinab in Richtung Straße. Sie mussten fliehen, und zwar schnell.
Unten versperrte ihnen ein dicker Käfer von der Größe eines Geländewagens den Weg. Gefährlich drohend hob er seine Fühler.
Tania hatte bereits ihren Bogen in der Hand, und Tobias tat es ihr blitzschnell gleich.
Die beiden Pfeile schwirrten los und bohrten sich in den Kopf des Ungeheuers. Der Käfer stierte sie an, wankte und ging zu Boden. Die Hundemeute rannte an ihm vorbei.
»Danke!«, rief Tobias Ambre zu.
»Ich habe nichts gemacht!«
»Was? Du hast doch meinen Pfeil gelenkt, oder?«
»Nein, Toby, diesmal hast du ganz allein getroffen!«
Tobias konnte es kaum glauben. Ein so schwieriger, hastig ausgeführter Schuss!
Nach einer Weile gelangten sie zu einem Hügel inmitten eines Wohngebiets.
Ringsum war die Stadt in dunklen Nebel gehüllt, die Pans sahen mehrere Scheinwerferkegel umherwandern. Sie schienen den Stadtkern abzusuchen. Vermutlich durchforsteten zudem Unmengen von Rieseninsekten die Straßen nach ihnen. Schemenhafte Gestalten lauerten auf Dächern und huschten durch Gassen, und die Freunde hörten, wie sie sich zirpend, quiekend
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