Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
beobachtet«, zischte Matt.
Reflexartig zogen alle ihre Waffen und beschleunigten ihre Schritte. Auf keinen Fall wollten sie die Nacht in der Stadt verbringen. Sie mussten freies Gelände erreichen, bevor sie ein Lager aufschlagen konnten, und an ihrer Müdigkeit merkten sie, dass der Tag seinem Ende zuging.
Von der Sonne war nicht mehr viel zu sehen. Der Nebel schluckte das Tageslicht, und nachts würden sie die Hand nicht vor Augen sehen, das war ihnen klar. Da würde auch der Leuchtpilz nicht mehr viel helfen.
»Sollten wir gezwungen sein, hier in der Stadt zu übernachten«, meinte Floyd, »müssen wir entscheiden, ob wir draußen schlafen oder in einem Gebäude unterschlüpfen.«
»Warum nicht gleich in einem U-Bahn-Tunnel!«, empörte sich Chen. »Mich bringen keine zehn Pferde in eine dieser finsteren Bruchbuden!«
»So oder so ist es besser, wenn wir noch ein Stück weitergehen«, sagte Matt. »Wir alle wissen, dass viele Raubtiere in den Städten Zuflucht gesucht haben. Jedenfalls bei uns im Süden, und vermutlich ist dieser Ort keine Ausnahme.«
Auf einer Kreuzung blieben sie unschlüssig stehen. Vor ihnen ragten die dünnen Pfosten der Ampelanlage im Nebel auf. Doch dann registrierten die Pans eine fast unmerkliche Bewegung. In Wahrheit waren es zwei lebendige Wesen, fünf Meter groß, mit dürren Körpern, gehüllt in lange Kapuzenmäntel. Ihre Beine sahen aus wie weiße Stelzen, und ihre Finger waren unglaublich lang.
Stelzenläufer.
Die Spürhunde, die Matt im Auftrag des Torvaderon gejagt hatten.
Matts Herz setzte einen Schlag aus.
Zwei Scheinwerfer leuchteten unter den Kapuzen auf, als hätten die Stelzenläufer plötzlich ihre Lider geöffnet, und die Lichtstrahlen wanderten über die Straße und beleuchteten die Fassaden.
Die ganze Expedition hechtete hinter einen Haufen Schutt, nur Matt blieb wie versteinert mitten auf der Straße stehen.
Plusch packte ihn am Kragen und zog und zerrte, bis er wieder zu Sinnen kam und zu seinen Kameraden rannte.
»Was tun die denn hier?«, keuchte Tobias.
»Weißt du, was das ist?«, fragte Amy.
»Stelzenläufer! Die Eskorte des Torvaderon, sie haben uns schon mehrmals verfolgt. Wenn du in das Blickfeld dieser Scheinwerfer gerätst, die sie anstelle der Augen haben, dann entkommst du ihnen nicht. Sie rennen unglaublich schnell und haben ausfahrbare Arme!«
Matt war leichenblass.
»Du vergisst das Wichtigste: Sie gehorchen jemandem. Oder etwas«, fügte er hinzu.
»Und wem?«, wollte Amy wissen.
»Das ist genau das Problem. Bis jetzt dachte ich, dass sie nur dem Torvaderon dienen, aber da es den nicht mehr gibt …«
Die Scheinwerfer schweiften unaufhörlich über die Ruinen der Stadt, und die beiden langbeinigen Gestalten schritten lautlos voran.
Plötzlich blieb eine der beiden stehen. Ihr Scheinwerfer war auf die Stelle gerichtet, an der die Pans gerade eben noch gestanden hatten.
Einer der Stelzenläufer sagte mit zischender, kaum vernehmbarer Stimme:
»Sssssssssssch … Jemand … Ich spüre … Sssssssssch … Da ist jemand.«
Der andere kam mit wiegendem Gang angestakst und fuhr die Arme aus, bis seine Hände den Boden berührten. Dann beugte er sich vor, seine Kapuze war nur noch wenige Zentimeter vom rissigen Asphalt entfernt.
»Ssssssssssch …«, machte er. »Mehrere. Ggl will sie.«
»Ssssssssch, die Meute … Ssssssssssssch, wir müssen die Meute holen!«
Die beiden Stelzenläufer hoben ihre Kapuzen in den Himmel, und eine Reihe merkwürdiger Rufe drang darunter hervor und hallte von den umliegenden Gebäuden wider. Es handelte sich um eine Abfolge zweier Silben, die scheinbar willkürlich aneinandergereiht wurden:
»Ya-nain-nain-nain-ya-nain-ya-ya-nain-ya-nain-nain-ya-ya-nain-ya-nain.«
Es klang wie ein defektes Funkgerät, das ein unverständliches Knistern von sich gibt.
»Hast du diesen Namen gehört?«, flüsterte Tobias in Matts Ohr.
»Gagöl? Oder?«
»So was in der Art, aber mit verschluckten Vokalen. Wer, glaubst du, ist das? Eine Art Wiedergänger des Torvaderon?«
»Hoffentlich nicht.«
Auf einmal huschten unzählige Schatten über die Straße. Sie glitten von einem Fenster zum anderen, sprangen von Dach zu Dach oder schlüpften aus den Kanaldeckeln und krochen über den Asphalt.
»Das gefällt mir ganz und gar nicht«, murmelte Ambre. »Weg hier!«
Eine Armee aus riesigen Insekten bewegte sich auf die beiden Stelzenläufer zu.
Floyd ließ seinen Zeigefinger über dem Kopf kreisen und gab mit dieser
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