Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
mit einem Foltergeist auf dem Rücken heftete sich an ihre Fersen, gefolgt von einer dritten.
Lange würden sie das Tempo nicht mehr durchhalten können.
»Alle aufs Schiff!«, schrie Floyd, während Marmit vom Ufer auf das Deck eines Seglers sprang.
Ohne nachzudenken, folgten die anderen, und Matt rutschte von Pluschs Rücken herab, um die Leinen mit seinem Schwert zu durchtrennen.
Dabei merkte er, wie schutzlos sie auf dem Schiff waren. Selbst mit Tobias’ Hilfe, der sich ein wenig auskannte, würden sie es niemals schaffen, rechtzeitig die Segel zu setzen und vom Ufer wegzukommen. Vorher würden die Foltergeister und ihre gruseligen Begleiter sie in Stücke gerissen haben. Und was, wenn ein Leck im Rumpf war und sie nach wenigen Metern sanken?
Gerade als Matt die letzte Leine durchtrennen wollte, tauchte ein Foltergeist auf einer Riesenspinne vor ihm auf. Die schwarze Gestalt hob ihre Sense.
Das Boot bebte, und die letzte Leine straffte sich.
Die Klinge des Sensenmanns streifte Matts Gesicht, ohne ihn zu verletzen.
Schon waren sie einen Meter vom Ufer fort. Innerhalb von Sekundenbruchteilen!
Mit einem kräftigen Hieb kappte Matt das Seil.
Der Foltergeist war zu Boden gesprungen und blickte ihnen verdattert hinterher. Plötzlich tauchte neben ihm die dritte Spinne auf. Sie nahm Anlauf und sprang mit einem großen Satz an Deck.
Vier Pfeile und Bolzen trafen sie mitten im Flug und töteten sie auf der Stelle.
Mit einem Plumpsen versank sie im Wasser, doch ihr Reiter hechtete an Deck, rollte sich ab und versuchte sogleich, Floyd zu enthaupten. Der Weitwanderer verdankte sein Überleben nur einem wundersamen Reflex von Tobias, der ihn beiseitestieß.
Ambre konzentrierte sich voll und ganz auf das Schiff und schob es mit der Kraft ihrer Gedanken durchs Wasser. Diesmal konnte sie ihnen nicht helfen.
Matt baute sich vor dem Foltergeist auf und hob drohend sein Schwert.
Der Foltergeist blieb überrascht stehen.
Er umklammerte den Griff seiner Sense mit seinen Handschuhen aus Leder und Stahl und holte aus.
Matt überraschte alle, als er fragte:
»Wer ist Gagöl?«
Der Foltergeist richtete sich auf. Was seine Wirbelsäule sein musste, gab ein metallisches Knacken von sich, und die Kapuze neigte sich vor. Eine Stimme, oder vielmehr ein Röcheln, drang aus den Tiefen seines Inneren, und er sprach dieses eine Wort aus, das keinen Vokal hatte:
»Ggl!«
Er artikulierte langsam und zog die Buchstaben in die Länge, als bilde jeder ein eigenes Wort. Für menschliche Ohren hörte es sich in der Tat wie »Ga-gö-l« an.
Der Foltergeist musterte jeden Pan an Bord genau. Seine Kapuze bewegte sich ruckartig von einem zum anderen.
Seine Lederhandschuhe knarrten, und er schien wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren. Seine Sense sauste auf Matt herab. Doch dieser war auf den Schlag vorbereitet.
Er führte das Schwert einhändig und wehrte den Schlag geschickt ab, während er mit der anderen Hand unter die Kapuze nach dem Gesicht des Foltergeists griff.
Doch seine Finger fuhren ins Nichts. Ein Nichts, das sich wie Eis um seine Haut legte und seinen Arm hochwanderte wie eine ansteckende Krankheit.
Der Foltergeist stand wie angewurzelt.
Matt hatte das unheimliche Gefühl, dass eine eisige Flüssigkeit in sein Blut eindrang, hoch zu seiner Schulter strömte, zum Nacken und sich dann sekundenschnell in seinem Gehirn ausbreitete. Dort nahm die Flüssigkeit die Form einer Hand mit langen krummen Fingern an, die nach seinem Geist griffen.
Matt wurde steif.
Er konnte sich nicht mehr bewegen. Das Etwas war in ihm. Er hatte seinen Gegner überrumpeln wollen, und jetzt war er ein Gefangener des Foltergeists.
Ein elektrischer Stoß lief durch die Flüssigkeit, und in seinem Kopf explodierte der Schmerz.
Es tat höllisch weh. Hunderte von Haken schienen sich von innen in Matts Haut zu bohren, und er hatte den Eindruck, dass man ihm bei lebendigem Leib die Nerven herausriss. Er wollte schreien, um sich schlagen, konnte sich aber nicht rühren. Er war völlig wehrlos.
Der elektrische Impuls drang in sein Gehirn vor und öffnete dort Türen, sammelte Informationen und durchsuchte Matts Inneres. Seine Erinnerungen, sein Wissen. Seine Intimsphäre.
Matt sah, wie Pfeile vom Foltergeist abprallten, ohne dass dieser reagierte.
Er schien unempfindlich gegen jeden Schmerz. Unverwundbar.
Plötzlich sprang in Matts Kopf eine Tür auf, ohne dass er eine Ahnung hatte, was sich dahinter verbarg. Der elektrische Impuls begann
Weitere Kostenlose Bücher