Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
auch einfach nur schön anzusehen. Es sind halt neue Polarlichter, sonst nichts!«
»Das ist nicht normal. Wir dürften sie hier nicht sehen können.«
Matt gab seinem Freund einen Klaps auf die Schulter.
»Sei kein Angsthase. Genieß einfach die schönen Farben!«
»Eben«, murmelte Tobias nachdenklich. »In der Natur sind die Tiere mit grellen Farben oft giftig … Das ist eine Schutzvorrichtung. Diese Wolken verheißen nichts Gutes.«
2. Das Bündnis
D ie Türme und Mauern der Festung im Pass der Wölfe ragten zwischen zwei Ausläufern des Blinden Waldes in die Höhe. Zwei schier unendlich hohe Pflanzenwände umschlossen ein tiefes Tal, in dem die Fahnen der Pans und der Großen wehten.
Die Festung war neutrales Gebiet und der einzige Ort, an dem die beiden Völker zusammenlebten. Dies barg manche Schwierigkeit, aber alle gaben sich Mühe, den Frieden zu wahren.
Pans und Große besaßen jeweils eigene Bereiche: Türme, Gänge und Stockwerke des Burgfrieds waren strikt zugeordnet, und in der Mitte befand sich ein gemischter Bereich, in dem Erwachsene und Kinder sich begegneten und zusammenarbeiteten.
Herzstück des Bündnisses war ein großer, kreisförmiger Saal mit runden, unverglasten Fenstern ganz oben im Burgfried, in dem es stets sehr kalt war: dem Saal der Eintracht. Hier fanden die Verhandlungen zwischen Pans und Großen statt. Hier wurde die Diplomatie zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Völkern praktiziert. In der Mitte des Raumes ruhte auf einem Marmorsockel das Bündnisabkommen. Dieses von Vertretern der Pans und der Großen unterzeichnete Stück Pergament war das Symbol einer noch zerbrechlichen Einheit, ein Garant des Friedens.
Auf Bitte von Zelie und Maylis, den beiden Botschafterschwestern der Pans, waren in die Mauern des Saals der Eintracht die Familiennamen aller jener eingraviert, die in der blutigen Schlacht zwischen den beiden Völkern gefallen waren. Mehrere tausend Namen waren in den Stein geritzt, in der Mehrheit von Erwachsenen.
Die Opfer des Friedens.
Sie gemahnten Pans und Große bei jeder Verhandlung daran, eine gütliche Einigung zu erzielen. Im Gedenken an die Toten mussten beide Seiten dafür sorgen, dass ihr Opfer nicht umsonst gewesen war.
In der Mitte des Saals stand ein hagerer Mann mit dünnem weißen Schnurrbart, eng stehenden Augen, zwischen denen die Nase kaum Platz hatte, und einem dürren Hals, der von Falten und pochenden Adern überzogen war. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und trug eine rot-schwarze Tunika. Vor der Großen Schlacht waren das die Farben der Zyniks gewesen, die inzwischen durch Blau und Schwarz ersetzt worden waren.
»Botschafter«, sagte der Mann und trat einen Schritt vor. Er verbeugte sich mit ängstlichem Blick wie vor einem Herrscher. »Eine Nachricht von König Balthazar.«
Der Unschuldstrinker riss den Brief an sich und trat beiseite, um ihn zu lesen.
»Mmmh«, sagte er nachdenklich, den Zeigefinger auf die Lippen gepresst.
»Wünschen Sie eine Antwort zu senden?«, fragte der Mann im Hintergrund.
»Nein, du kannst gehen.«
Sobald der Bote durch die schweren Türen des Saals verschwunden war, hielt der Unschuldstrinker den Brief über eine der vielen Kerzen und sah zu, wie er verbrannte.
Am anderen Ende des weitläufigen Saals, wo die Gemächer der Pans angrenzten, wurde ein Vorhang zur Seite geschoben, und der Unschuldstrinker fegte sich die letzten Aschereste von den Händen, bevor er Zelie und Maylis entgegentrat.
Die beiden Schwestern mit den langen braunen Haaren wirkten wie immer anmutig und arrogant: Zelie war die entschlossene Kriegerin, Maylis die Beobachterin, deren seltene Bemerkungen immer ins Schwarze trafen.
»Hochverehrte Botschafterinnen!«, begrüßte er sie und verneigte sich leicht.
»Wir möchten Sie informieren, dass unser Hilfstrupp bald von Eden in Richtung Babylon aufbrechen wird. Nicht mehr lange, dann werden Schwangere und Mütter bei der Niederkunft und bei der Versorgung der Säuglinge Unterstützung bekommen.«
Der Unschuldstrinker erschauerte unwillkürlich.
»Sehr gut«, erklärte er angewidert. »Die ersten Gruppen von Kindern haben bereits einige Vorbereitungen getroffen, aber sie sind nicht zahlreich genug. Ich selbst habe Neuigkeiten von König Balthazar. Als Vertrauensbeweis will er euren Patrouillen gestatten, das Gebiet der Großen ohne gesonderte Erlaubnis zu betreten.«
»Wieso das denn?«, fragte Zelie verwundert. »Was sollten wir auf Ihrem
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