ALTERRA: Die Gemeinschaft der Drei (PAN) (German Edition)
mich wundern. Ich vermute, dass ein Großteil unserer Leistungsfähigkeit, also unseres Gehirns, durch diese Veränderungen stark beansprucht wird. Ich denke nicht, dass wir unbegrenzt neue Begabungen entwickeln können. Dazu reichen unsere Kapazitäten nicht aus. Hier drin«, sie klopfte sich an die Schläfe, »ist nicht genug Platz. Aber natürlich kann man das jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen.«
»Und was ist mit mir? Welche Fähigkeit werde ich entwickeln?«, fragte Tobias nervös.
Ambre und Matt blickten ihn an.
»Keine Ahnung«, gab sie zu. »Ich glaube nicht, dass wir die Alteration steuern können. Wir müssen warten, bis sie sich zeigt. Bei manchen scheint das länger zu dauern.«
»Wenn wirklich eine solche Kraft in mir steckt, dann muss ich lernen, damit umzugehen.«
»Nach dem, was heute Morgen passiert ist, schwöre ich dir, dass du stärker geworden bist. Das erklärt auch, warum du dich so schnell erholt hast, obwohl du fünf Monate im Koma lagst. Wir müssen Übungen entwickeln, um unsere Alteration besser einschätzen zu können und zu lernen, sie zu benutzen. Ich werde mir ein paar Gedanken dazu machen.«
»Das wird Monate dauern!«, rief Tobias verzweifelt.
»Vielleicht. Aber wenn wir den Rest unseres Lebens damit leben müssen, ist es der Mühe wert.«
In der Ferne erschallte eine Trompete. Auf einen tiefen Ton folgte ein hoher, dann wiederholte sich das Signal.
»Der Alarm«, stöhnte Tobias.
»Was bedeutet das?«, fragte Matt erschrocken.
Ambre sprang auf und antwortete als Erste:
»Dass der Brückenwächter etwas am Waldrand gesehen hat. Ein tiefer und ein hoher Ton heißt: Feind in Sicht.«
»Lasst uns nachschauen«, rief Matt und sprang ebenfalls auf.
»Wartet. Vergesst nicht, dass alles, was wir bisher über die Alteration herausgefunden haben, unter uns bleiben muss, einverstanden?«
Sie nickten und rannten in Richtung Brücke.
24. Drei Kapuzen
und zwölf Rüstungen
D ie Brückenwächter hatten ein halbes Dutzend Mampfer entdeckt, die das gegenüberliegende Ufer nach einer Stelle absuchten, von der aus sie auf die Insel gelangen konnten. Sie streunten dort bis zum Einbruch der Dunkelheit herum, ehe sie glucksend wieder in den Wald verschwanden. Offenbar wurden sie immer waghalsiger. Kundschafter hatten berichtet, dass ihr nächstgelegenes Lager über zwanzig Kilometer entfernt war. Sie hatten also einen weiten Weg zurückgelegt, um die Insel zu belauern, und das gefiel den Pans gar nicht. Die Mampfer und das Abenteuer der Sammler waren in aller Munde.
Matt konnte sich erst nach zwei Tagen dazu überwinden, sein Schwert wieder zur Hand zu nehmen und die braune Kruste abzuwaschen, die auf der Klinge klebte. Danach ging er in die Werkstatt im Keller, weil er gehört hatte, dass es dort einen Schleifstein gab, den die Weitwanderer benutzten. Während er die angefeuchtete Waffe über den Stein rieb, weckte das schabende Geräusch des Metalls in ihm die Erinnerung an das Blut, das aus den Eingeweiden des Mampfers quoll und sich über die abgeschlagene Hand ergoss. Sofort wurde ihm wieder schlecht. Um die abstoßenden Bilder zu verdrängen, wetzte er die Klinge so verbissen, dass sie so scharf wie ein Rasiermesser wurde.
Hatte Ambre recht mit ihrer Vermutung? War er im Begriff, ungewöhnliche Kräfte zu entwickeln? Das würde natürlich erklären, warum ihm sein Schwert plötzlich so leicht vorgekommen war … Die blutigen Erinnerungen kehrten zurück und mit ihnen die quälenden Gewissensbisse und das flaue Gefühl im Magen.
Am selben Nachmittag kündigte Ben an, dass er am nächsten Morgen weiterziehen werde. Er war ausgeruht genug, um sich auf den Weg zu einer anderen Gemeinschaft nördlich der Insel zu machen. Matt fragte sich, ob er Ambre in den Tagen nach Bens Abreise anmerken würde, dass sie den Weitwanderer vermisste. Während er durch die Gänge der Villa lief, um die Kachelöfen mit Brennholz zu versorgen, spürte er die bewundernden Blicke der anderen Bewohner auf sich ruhen. Bisher hatte noch niemand auf der Insel gewagt, einen Mampfer anzugreifen, geschweige denn ihn aufzuspießen und ihm eine Hand abzuhacken.
Matt hatte inzwischen auch die neun- oder zehnjährigen Pans kennengelernt, die häufig zusammenhingen: Paco, den jüngsten, Laurie mit den blonden Zöpfen, Fergie, Anton, Jude, Johnny, Rory und Jodie, die den Kern der kleinen Kindergemeinschaft bildeten. Sie liefen ihm hinterher und wollten ihm bei der Arbeit helfen, aber er lehnte dankend ab. Dass
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