Alterra. Im Reich der Königin
Initiative, sprichst kaum und gehorchst aufs Wort. Daran musst du dich unbedingt halten! Die Zyniks hassen oder fürchten die Pans, und wenn sie sich in deiner Gegenwart unsicher fühlen, fliegen wir garantiert auf.«
»Was passiert eigentlich, wenn der Nabelring entfernt wird?«
»Soweit ich weiß, wird man wieder ein eigenständiger Mensch, aber man ist trotzdem nicht mehr ganz wie früher, sondern eher wie ein Gespenst, so als würde einem ein Teil seiner selbst fehlen. Es gab Pans, die dadurch depressiv geworden sind, das haben die Zyniks in einem Experiment herausgefunden. Die Hälfte der Pans, denen der Ring abgenommen wurde, haben kurz darauf Selbstmord begangen!«
»Das ist ja furchtbar! Wie können sie anderen Menschen nur so etwas antun?«
»Was denkst du denn? Dass große Entdeckungen umsonst zu haben sind? Fortschritt erfordert immer einen hohen Tribut!«
Tobias sah ihn verächtlich an.
»Die haben dir ja schön das Gehirn gewaschen.«
»Genau das stört mich an euch Pans, ihr seid so naiv … Los, gehen wir.«
Sie begegneten einer Gruppe von Frauen mit Kisten voller Gemüse und Obst, das sie im Umland gepflückt hatten.
Eine von ihnen rief zu Colin hinüber:
»He, du! Sag doch mal deinem Sklaven, dass er uns helfen soll, diese Kisten nach Hause zu schleppen!«
»Tut mir leid, aber er wird von seinem Herrn erwartet, schönen Tag noch!«
Colin ging schneller, und Tobias folgte ihm wie ein braves Hündchen.
Die ganze Sache widerte ihn an. Wie konnten sie nur? Selbst Colin schien das normal zu finden! Es würde nicht einfach sein, ihn wieder in die Reihen der Pans aufzunehmen, nach allem, was er auf der Insel getan hatte … Schließlich hatte er den alten Carmichael getötet!
Ambre und ich haben versprochen, uns für ihn einzusetzen. Wenn er bereit ist, sich in die Gemeinschaft einzufügen, wird er vielleicht wieder eine Beschäftigung finden, mit der er glücklich ist.
Die Abmachung war klar: Colin half ihnen, Matt zu befreien, und dafür würden sie ihn mitnehmen, wenn sie aus dem Luftschiff flohen. Sein Leben bei den Zyniks war so elend, dass er nicht lange gezögert hatte. Seit er unter den Erwachsenen lebte, war der Junge mit den fettigen langen Haaren reifer geworden. Er wirkte weniger einfältig als auf der Carmichael-Insel.
Colin führte Tobias zur Anlegestelle, einem langen Kai aus weißen Steinen, und wies auf eine riesige Öffnung, die sich am gegenüberliegenden Ufer des Sees in der Höhlenwand auftat.
»Da drüben ist der Tunnel für die Schiffe. Matt und die Soldaten werden hier an Land gehen, bevor das Schiff zum Transport klargemacht wird. Ich vermute, dass sie in der Herberge am Ende der Straße übernachten werden, dort steigen eigentlich die meisten Besatzungen ab.«
»Schauen wir uns da mal um.«
So früh am Morgen war in der Gaststube noch nicht viel los; außer drei Betrunkenen sahen sie nur den Wirt, der den Boden fegte. Die abgestandenen Gerüche von Schweiß, Tabak, Fett und Wein vermischten sich zu einem so üblen Gestank, dass Tobias schon an der Tür ganz schlecht wurde. Es kostete ihn große Mühe, sich zusammenzureißen und eine ausdruckslose Miene aufzusetzen.
»Was willst du hier mit deinem Spielzeug, Kleiner?«, fragte der Wirt streng.
»Ich möchte ein Bier. Ich habe eine lange Reise hinter mir und brauche eine Erfrischung, bevor ich meine Ware abliefere«, antwortete Colin und zog an Tobias’ Kette.
Der Wirt brachte gleich darauf eine kühle Flasche Bier und schenkte ihm ein.
»Woher kommst du denn?«
»Aus Babylon.«
»Ah. Und, was gibt’s Neues im Norden?«
»Nichts Besonderes. Die Bauarbeiten kommen voran, vor kurzem ist die Stadtmauer fertig geworden.«
»Bei uns haben sie die Seilbahn fertiggestellt!«
»Was ist denn das?«
»Eine Kabinenbahn, die ins Tal hinunterführt. Das ist viel schneller und angenehmer als die Treppe der Leiden.«
»Davon wusste ich gar nichts.«
»Und wem bringst du den kleinen Kerl da?«
»Das ist streng vertraulich, das darf ich Ihnen nicht verraten.«
»Oho«, spottete der Wirt, »dass ich nicht lache! Seit wann wird in Henok heimlich Handel getrieben?«
»Ich habe die Regeln nicht aufgestellt.«
»So siehst du mir auch nicht aus. Das macht fünf Münzen, bitte.«
»So viel?«, protestierte Colin.
»Die Sammler bringen immer weniger mit, die Vorräte gehen allmählich zur Neige, und unsere erste eigene Ernte ist erst in zwei Monaten so weit. Ganz zu schweigen von der Zeit, die das Bier zur Gärung
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