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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Wächter, der auf einem Schemel vor dem Eingang saß, hatte sich an die Mauer gelehnt und schnarchte. Colin und Tobias schlugen einen großen Bogen um ihn und wateten durch das kalte Wasser, um von der anderen Seite ins Waschhaus zu steigen. Die Pans sahen nicht einmal auf, als sie näher kamen, so vertieft waren sie in ihre Arbeit. Die Ketten ihrer Nabelringe schleiften über den Steinboden.
    »Die sind wirklich wie Zombies«, sagte Tobias, der es immer noch nicht fassen konnte.
    Die Pans, zum Großteil Jungen, waren zwischen neun und fünfzehn Jahre alt, schätzte Tobias. Colin ging neben einem Rotschopf von etwa dreizehn oder vierzehn Jahren in die Hocke.
    »Jon, ich bin’s, Colin. Erkennst du mich?«
    Jon ließ die Leinenhose sinken, die er gerade klopfte, und starrte ihn an. Dann machte er sich wieder an die Arbeit.
    »Jon!«, zischte Colin so leise wie möglich, um den Wärter nicht aufzuwecken. »Schau mich an! Ich weiß, dass du dich an mich erinnerst, na los, streng dich ein bisschen an!«
    Der Rotschopf sah wieder auf, musterte ihn kurz und klopfte dann weiter.
    »Das ist also der große Stratege, der uns helfen soll?«, spottete Tobias. »Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen!«
    Verärgert packte Colin den Jungen an den Schultern und drehte ihn zu sich herum.
    »He, Jon! Lass dein anderes Ich zum Vorschein kommen! Du musst aufwachen! Mach schon!«
    Der Junge blinzelte und schüttelte Colins Hände ab.
    »Was soll das?«, schimpfte er los.
    Colin hielt ihm hastig den Mund zu.
    »Pst! Hinter dieser Wand sitzt ein Wärter!«
    Jon schob seine Hand weg und fragte in leiserem Ton:
    »Was willst du von mir? Und wer ist der da?«
    Tobias war verblüfft: Der Nabelring schien mit einem Schlag seine Wirkung verloren zu haben. Er nickte dem Jungen freundlich zu.
    »Ich heiße Tobias.«
    »Seid ihr allein? Sind auch Zyniks hier?«
    »Nein, nur wir zwei«, erklärte Colin.
    »Und warum treibt ihr euch hier herum?«
    »Wir werden einen Freund befreien, der von den Zyniks gefangen gehalten wird. Wenn du mitmachst, ist das vielleicht deine Chance, von hier wegzukommen!«
    »Echt? Weg aus Henok? Wie wollt ihr das anstellen?«
    »Am Ausgang der Höhle wartet ein Fluchtfahrzeug auf uns«, mischte sich Tobias ein. »Für dich und deine Freunde ist genug Platz.«
    Jons Gesicht verdunkelte sich, während er den anderen beim Wäscheklopfen zusah.
    »Bei ihnen ist das anders, sie sind nicht wie ich. Ihr wahres Ich kommt nie an die Oberfläche.«
    »Wieso funktioniert das dann bei dir?«
    Jon grinste.
    »Ich bin eben anders! Ich war schon vorher ein bisschen … neben der Kappe.«
    »Neben der Kappe? Verrückt, meinst du?«
    »Meine Eltern haben mich für ein halbes Jahr in eine Klinik gesteckt, nachdem ich von der Schule geflogen bin. Anscheinend habe ich eine
gespaltene Persönlichkeit!
In mir sind zwei verschiedene Ichs! Ist das nicht genial? Und dieser dämliche Nabelring unterdrückt nur eins der beiden.«
    »Kannst du beeinflussen, welche deiner Persönlichkeiten das Kommando übernimmt?«
    Jon runzelte die Stirn.
    »Nicht immer. Meistens wirkt der Ring, und dann bin ich genauso eine Trantüte wie die anderen auch. Aber manchmal …« Plötzlich kniff er die Augen zusammen. »Sag mal, Colin, ist dein Boss eigentlich auch hier?«
    »Ja, ist er.«
    Der Rotschopf schüttelte sich vor Abscheu und spuckte wütend ins Wasser.
    »Wehe, wenn der mir unter die Augen kommt!«
    Colin wandte sich zu Tobias um.
    »Mein Herr hat Jon für sich ersteigert, aber als Jon seinen ersten Anfall hatte und seine andere Persönlichkeit ans Licht kam, wurde er ihm unheimlich, und er hat ihn weiterverkauft.«
    »Er wollte schweinische Sachen mit mir machen!«, fügte Jon hinzu. »Total pervers, der Typ!«
    »Also was ist, machst du mit?«, drängte Colin.
    »Klar mach ich mit, wenn ich dafür aus diesem Loch hier wegkomme!«
    »Hast du in deinen wachen Momenten denn nie versucht, den Nabelring rauszureißen?«, fragte Tobias.
    »Ohne Werkzeug und so? Vergiss es! Das Einsetzen des Nabelrings tut extrem weh, so was will ich nicht noch mal erleben. Die schlimmsten Schmerzen, die man sich vorstellen kann! Und anscheinend ist es ziemlich gefährlich, ihn zu entfernen, man kann sogar daran sterben, habe ich gehört. Und was hätte ich danach überhaupt machen sollen? Ohne Fortbewegungsmittel ist an eine Flucht gar nicht zu denken!«
    »Mit uns hast du einen Freifahrschein nach Norden, ins Gebiet der Pans«, sagte Tobias. »Aber dafür musst du leider

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