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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman
Autoren: Hans Fallada
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war zweifellos genau die Stelle, an der gestern der wegelagernde Köter das Auto angefallen hatte.
    Kimmknirsch lehnte das Motorrad an das Hecktor und stieg über. Immerhin hatte sie den Hütefritzen Freund genannt, und er konnte Dinge wissen, die dem Amtsgerichtsrat Schulz und dem Arzt noch verborgen waren.
    Hütefritz sah den »Studierten« über die nasse Stoppel herankommen. Es war klar, daß sich hier eine vorzügliche Gelegenheit bot, ohne langen Abendmarsch nach Kriwitz Rosemaries Botschaft loszuwerden. Aber ebenso klar war auch, daß diese Gelegenheit nicht benutzt werden würde. Dieser Nichtstuer mit Auto und Motorrad, der so vertraut bei Rosemarie im Wagen gesessen hatte, sollte nichts erfahren! Dann lieber noch heute abend den Weg zum Richter!
    Hütefritz erwog die Sachlage, leichter, als sich dumm zu stellen, war, gar nicht dazusein. Er rief die Hunde an (auch Bello half beim Hüten und machte sich gar nicht schlecht) und trieb die Kühe kurz entschlossen in Gaus Klee. Da würden sie stehen, fressen und nicht weglaufen, ob er dabei war oder nicht.
    Der Doktor sah den Rückzug des gegnerischen Heeres, noch lief er nicht, aber er rief schon. »He, du, Junge!« rief er.
    Der Doktor Kimmknirsch hätte es besser wissen müssen, er war immerhin neben einem Schafstall geboren worden, er hatte seine zehn oder zwölf Jahre auf dem Lande gelebt, er hätte wissen müssen, daß man einen vierzehnjährigen Jungen nicht »He, du, Junge!« anruft. Das waren Städtermanieren. Er hatte ja den Namen gehört, erhätte sich schon besinnen können. Hütefritz oder Fritz wäre wirkungsvoller gewesen.
    Die Kühe gaben sich mit Begeisterung dem streng verbotenen Klee hin, der Junge verschwand hinter einer Hecke. Doktor Kimmknirsch fing an zu laufen; als er hinter die Hecke tauchte, sah er grade an ihrem andern Ende den Jungen verschwinden. Er machte kehrt, verdammt noch mal, hat man dazu seinen Doktor gebaut, um Haschen mit Dorfbengeln zu spielen –?!
    Beinahe hätte er den Jungen erwischt, aber der wußte ein Loch in der Hecke und war wieder fort. Auf allen Vieren kroch Doktor Kimmknirsch nicht mehr durch Heckenlöcher. Das ging ihm gegen das Gefühl. Also rief er. Da fingen die Hunde bei den Kühen ohrenbetäubend zu bellen an. Der Doktor rief noch einmal und ging leise und listig rasch um das Heckenende. Grade sah er leise und listig eine Jacke ums andere Ende verschwinden.
    Nun meinte es der Himmel auch noch gut, ein fauchender Windstoß jagte einen prasselnden Schauer Regen in sein Gesicht. Dieser verdammte Bengel besaß alle Wissenschaft und wollte sich nicht fangen lassen! Mit einem wütenden Ruck war der Arzt auf allen Vieren und kroch durch Schlehen, Rosen und Haseln.
    Drüben war der Junge zwei Schritte von ihm ab, aber ehe der Doktor noch hochkam, waren es zehn. Kimmknirsch rannte über den ungepflügten Acker hinterdrein und gab Notsignale: »Rosemarie! He, Junge! Helfen! Gegen Schlieker!«
    Er hätte sich besser mit einem lahmen Taubstummen verständigt, der Bengel jedenfalls tauchte in eine triefende Ginsterwildnis unter, in die ihm der Arzt keinesfalls folgen wollte.
    Er machte kehrt und ging sauwütend zu seinem Motorrad zurück. Seine Schuhe quatschten vor Nässe und trugeneinen kleinen Bauernhof Lehm an sich, seine Knie waren vom Kriechen durchgeweicht, die Hände dreckig. Hätte er den Hütefritz dagehabt, er hätte ihn ganz heimatlich hinterpommersch vermöbelt! Das aber war grade die Sache, der Junge war nicht da, weder zum Befragen, noch zum Verhauen. Das war überhaupt der ganze Schiet: in dieser Sache Rosemarie Thürke ging alles schief! Man mochte es anfassen, wie man wollte.
    Kaum war das Motorrad in Gang, so stand der Junge schon auf einem Hecktor, gradeaus, fünfzig Meter ab, und winkte mit den tollsten Verrenkungen dem Arzt höhnische Abschiedsgrüße zu. Als der Arzt auf zehn Meter heran war, verschwand er natürlich, miserabler Feigling, der er war!
    Es hatte nicht den geringsten Sinn, sich noch mit dieser ganzen Angelegenheit zu befassen. Doktor Kimmknirsch fuhr wütend darauf los, daß Dreck und Wasser spritzten. Er überlegte, ob er sich erst umziehen und dann den Amtsgerichtsrat aufsuchen sollte oder umgekehrt. Er entschloß sich für Erst-Umziehen.
    Ach, an diesem ganzen Tag hatte der Doktor Georg Kimmknirsch kein Glück! Als er auf das Amtsgericht kam, mußte er erfahren, daß Herr Amtsgerichtsrat Schulz fortgefahren war, Gerichtstag zu halten im Flecken Krüselin. Zeitpunkt der Rückkehr
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