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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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kommen!«
    »Ich vergesse nichts, er muß gleich mitkommen.«
    »Ja, das wäre gut. Aber die Hauptsache ist doch, daß erBescheid weiß, ich bin nicht wieder fortgelaufen. Und nun sag den andern, daß ich ihnen noch gute Nacht wünschen will, und mach auch, daß du in dein Bett kommst. Ach, Fritze, du hast ja wohl in den letzten Nächten fast gar nicht geschlafen!«
    »Ich schlaf am Tage, auf der Weide, die Sonne ist noch schön warm«, beruhigte er sie. »Also, gute Nacht, Rosemarie, und zu Schreischulze geh ich todsicher.«
    Nun kamen die andern, Kinderhand auf Kinderhand schlüpfte zwischen den Gitterstäben durch. Heini Beier und Robert Hübner, Albert Strohmeier und Ernst Witt und schließlich am Ende noch Otsche Gau.
    »Otsche, wirklich du auch wieder?«
    »Natürlich, ich gehöre doch jetzt dazu«, und: »soll ich Vater was sagen? Vater ist jetzt ganz anders, er hat sogar nach dir gefragt. Ich glaube, ihm tut’s leid, daß er den Schlieker auf dich gehetzt hat.«
    »Nein, sag Vater nichts, Otsche. Hütefritz weiß Bescheid – morgen, übermorgen ist bestimmt alles vorbei. Gute Nacht, Otsche.«
    »Gute Nacht,
Rose
marie!«
    Gute Nacht auf und ab, gute Nacht, gute Nacht, schönes warmes Bett, in dem so gut zu liegen ist, gute Nacht, gute Nacht! Nebenan reden sie noch immer, nichts gehört, gleich schlafen wir wieder. »Ich hätte Otsche fragen sollen, wieviel Uhr es ist, dann wüßte ich, wie lange ich noch schlafen darf …«
    Und schläft schon.
    Gute Nacht, und das bißchen Mond verschwindet, Südwest kommt mit Wolken und verfinstert seinen Schein, gute Nacht, der Wind jagt Regen gegen das Haus. Die schönen Herbsttage sind vorüber, Stürme beginnen, die Nässe ist da, die Blätter fallen zu Tausenden – gute Nacht, und wenn wir wüßten, welches die letzte Nacht in unsermHeimatbett ist, wir schliefen nicht so sanft und ruhig. Gute Nacht …
    Ja, grau, dunkel, stürmisch, regnerisch war der Morgen, in den Päule Schliekers Stimme Rosemarie rief. Grämlich und böse klang die Stimme des Pflegers, der sie zum Melken und Füttern schickte. Sie hatte alles allein zu tun, er stand nur in der Stalltür und sah ihr, hüstelnd und finster, zu. Sie mußte Pferde und Kühe putzen, dann ausmisten, frisches Stroh streuen …
    Es wurde Tag, aber es wurde kein heller Tag. Tief zogen die eiligen Wolken, immer wieder fiel ein Schauer, es war kalt geworden …
    »Trag Wasser ins Schaff!«, und sie pumpte und trug den Wasservorrat für zwei Tage ins Haus. Sie schälte Kartoffeln, bereitete alles vor.
    »So«, sagte er. »Jetzt bleibst du wieder da drinnen. Und daß du stille bist, verstehst du –?!«
    Er hatte das nicht ohne Absicht gesagt, denn nicht viel später hörte sie ein Auto knattern, ach nein, es war wohl sein Motorrad. Dann hörte sie die Stimme des jungen Arztes durch die Wand.
    Wie gerne hätte sie ihn gerufen. Aber er war im Zorn von ihr gegangen, und sie schämte sich, seine Hilfe noch einmal zu erbitten.
    Der Doktor blieb lange. Manchmal hörte sie, wie seine Stimme heftig wurde, vielleicht fragte er auch nach ihr. Aber, das wußte sie ja, die kannten den Schlieker noch alle nicht, er wandte und drehte sich, er war bieder, er war ihnen zu schlau. Sicher hatte er nach ihr gefragt! Nun, er hatte umsonst gefragt. Schlieker log ihm etwas vor.
    Aber es tat doch gut zu denken, daß er gefragt hatte. Und heute abend erfuhr Amtsgerichtsrat Schulz alles – und dann war es ausgestanden. Was sich Schlieker bei diesem Gefängnis überhaupt dachte, das konnte man nichtverstehen – meinte er etwa, er könnte sie so Wochen und Monate halten? Er durfte ja nicht einen Fuß vors Haus setzen, er konnte nicht den Acker bestellen, die Pferde bewegen: er war der Gefangene seiner Gefangenen.
    Aber vielleicht dachte er gar nicht weiter, vielleicht glühte alles in ihm vor besinnungsloser Wut. Vielleicht war es genauso wie bei der Ablieferung der fünf Pflegekinder, lieber ging alles kaputt, als daß er denen den Willen tat.
    Der Arzt sprach und Schlieker sprach, einmal wurden die Stimmen so laut, daß sie eine atemraubende Sekunde gewiß war, er erzwänge den Zugang zu ihr. Aber dann ging es wieder sanfter, die Stimmen entfernten sich, und nun töffte draußen das Motorrad. Vorbei … vorbei …
    Der Riegel klang, Schlieker stand in der Tür, sah sie aufmerksam an und befahl: »Häcksel schneiden!«
    Sie ging vor ihm über den Hof, vom Motorrad war nichts mehr zu hören. Ihr blieb nur, auf den Abend zu hoffen und den

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