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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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also tat von alledem nichts, sondern stand stockstill hinter der zugeschlagenen Tür, wo er eben stand. Nicht einmal die Tasche setzte er ab.
    Er war nun nichts wie ein sehr alter Mann, der seinen Kräften viel zuviel zugetraut hatte und den der Hunger mit Schwindel und aussetzendem Denken quälte. Er wußte nicht mehr recht, wo er eigentlich war und warum er hier war. Und wenn ihm dann wieder Sinn und Ziel seiner Reisein die Erinnerung kamen, so fiel ihm auch sofort ein, wie ahnungslos und fremd er in eine Aufgabe wie diese hineingeraten war, und keiner konnte von der eigenen Unzulänglichkeit überzeugter sein als er.
    »Ach ja«, seufzte er einmal. »Ach, freilich ja.«
    Und dann war er wieder still. Ein Geduldiger ist stark. Eine Nacht kann nicht ewig währen, und jede Tür wird einmal wieder geöffnet.
    »Ach, freilich ja.«
    Aus dem Dunkel kam es wie Antwort, raschelnd strich es näher. Dann glitt es um seine Beine, und grünlich glänzende Augen sahen ihn an. Es dauerte aber seine Zeit, bis Professor Kittguß begriff, welch Gefährtin sein Verlies teilte, und als er sich nun niederbeugte zur Katze, sie zu streicheln, da kam er nicht auf eins der vielen Koseworte, die wir Menschen für unsere uralte Hausgefährtin gefunden haben, von der Pussi über die Mieze zur Musch, sondern er sprach sie ganz schriftdeutsch und feierlich an: »Ja, meine liebe Katze … Ja, meine gute Katze …«
    Die Katze war auch damit ganz zufrieden, und sie strich immer behaglicher um ihn und rieb den Kopf stets emsiger an seinen schwarzen Beinkleidern. Aber zum Schnurren geriet es ihr doch nicht, sondern plötzlich fing sie an zu miauen.
    Sie miaute aber so eindringlich und stets stärker und fordernder, daß selbst dem tierfremden Professor der Gedanke kam, sie wolle noch anderes wie Streicheln. Und nach langem Überlegen riet er denn auch auf sein eigenes Leiden: den Hunger. Eine ganze Weile redete er dem Tier zu: »Katze, ich habe ja auch nichts …« Bis ihm endlich einfiel, daß er doch etwas hatte. Nämlich von der Müllern als zweites Frühstück in der Reisetasche: ein hartgekochtes Ei und eine Buttersemmel.
    Die kramte er aus, während das Tier ihn immer jämmerlicherbestürmte, und teilte brüderlich; wenn aber ein Anteil doch größer wurde, so war es nicht seiner. Dann stand er wieder geduldig im Dunkeln – das Katzentier hatte sich gesättigt verkrochen – und wartete. Schließlich – er wußte nicht, hatte er nun sehr lange oder erst kurze Zeit gewartet, klirrte die Tür wieder und tat sich auf. Der Ausblick auf den nachtdunklen Hof wurde frei, der seinen Augen nach dem schwarzen Kohlenstall freilich dämmerhell schien, und da stand Schlieker und sagte: »Na, nun machen Sie, daß Sie fortkommen. Das wird Sie lehren, sich in anderer Leute Sachen zu mengen.«
    Der Professor sah den Schlieker wohl auf dem Hof, aber der Schlieker sah den Professor nicht im schwarzen Stall, und da es mit des Professors Entschluß zum Gehen nur langsam war – denn er wußte ja gar nicht wohin, und erledigt war auch nichts –, so bekam der Schlieker einen gewaltigen Schreck. Er stieß einen Fluch aus und sagte bei sich: »Es wird dem alten Knacker doch nichts passiert sein?! Das wäre eine schöne Geschichte! Ich will Licht …«
    Doch da trat der Professor aus der Bude und ging langsam und ein wenig wankend (denn es war ihm sehr schlecht, und das Gegessene vermehrte nur seine Übelkeit) an dem Bauern vorbei, als sehe er ihn nicht. Dann aber blieb er doch stehen, drehte sich um und sagte: »Auch die Katze zu füttern darf man nicht vergessen.«
    Er ging wieder weiter, und dem Schlieker wurde es vor der stillen Gestalt fast unheimlich, stärker schien sie zu schwanken. Dann blieb sie wieder stehen und fragte, halb über die Schulter: »Wollen Sie mir nicht einen Handstock leihen? Ich bin ein alter Mann, und ich weiß nicht, wie weit ich diese Nacht noch zu gehen habe.«
    »Jawohl, gern, Herr Professor«, rief Schlieker und sprang wie erlöst ins Haus. Denn wohl zumute war ihm vor seinem stillen Gast, der kein böses Wort sagte, aus vielen Gründennicht; und wir alle kaufen uns gerne unser schlechtes Gewissen für einen Dreier ab. So sprang er erlöst ins Haus und brachte dem Professor eilfertig den Stock.
    »Danke auch schön«, sagte der Professor.
    »Nichts zu danken«, antwortete Päule Schlieker und hatte mehr recht damit, als er meinte.
    »Ich schicke ihn dann morgen zurück«, sagte der Professor und ging. »Es eilt nicht. Es eilt gar

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