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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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verloren hatte.
    Aber der alte Professor Kittguß mochte sich vor Hunden, Ratten, Fröschen und mancherlei anderm harmlosen Getier graulen: vor Menschen hatte er keine Furcht. Langsam und bedächtig erhob er sich von dem Sofa und stand freundlich vor dem Zornigen. Sanft und fest legte er ihm eine Hand auf die Schulter, und mit der andern deutete er ihm auf die Brust und sprach: »Da tut es weh, Herr Schlieker? Nicht wahr? Das ist der böse Zorngeist, der in Ihnen sitzt, der tut weh. Ehe Sie den nicht ganz von sich abtun, werden Sie auch nicht glücklich sein. Und das möchten Sie doch, nicht wahr?«
    Der andere zog und zerrte mit seiner Schulter unter dem Griff des alten Mannes, und einen Augenblick war es sogar, als wollte er ihn vor die Brust stoßen. Aber das vermochte er nun doch nicht über sich, und seine Schulter bekam er auch so aus der schwachen Greisenhand frei. Päule Schlieker tat einen Schritt zurück vor den großen braunen Augen, die ihn so durchdringend ansahen, rückte seine Jacke zurecht und sagte verdrossen: »Über Sie kann einer bloß lachen …«
    »Und, Herr Schlieker«, fuhr der Professor unbeirrt fort, »dieser böse Zorngeist ist’s auch, der Ihnen lauter Dinge zu sagen eingibt, die Sie gar nicht meinen. Als da ist: den Hund auf mich hetzen, mir die Knochen im Leibe zerschlagen und so fort. Er sagt’s aus Ihnen, aber Sie meinen’s gar nicht. Und warum meinen Sie es nicht, Herr Schlieker?« fragte der Professor und sah seinen Gegner groß an – »weil Sie nämlich von Grund aus ein guter Mensch sind!«
    »Da soll mich doch –!« sagte der Päule vollkommen erschlagen und tat schnell einen tiefen Atemzug. Denn wenn ihm in seinem Leben schon vielerlei gesagt wordenwar – und es war ihm vielerlei gesagt worden, und kein Schimpfwort, das nicht schon in Anwendung auf ihn gebracht worden wäre –,
dies
hatte ihm noch keiner gesagt.
    »Ach was«, sagte er schließlich verdrossen. »Mit Ihnen kann ja kein vernünftiger Mensch reden. Sagen Sie also schnell, was Sie eigentlich wollen, sonst werde ich Sie doch nicht los, das sehe ich schon.«
    »Ich will mich um mein Freundeskind, die Rosemarie, kümmern, Herr Schlieker«, sagte der Professor.
    »Kümmern, ja kümmern!« höhnte der Schlieker. »Aber wie wollen Sie sich kümmern? Um ihr bißchen Eigentum – und das ist bloß der Katen hier mit seinen fünfunddreißig Morgen Land – kümmern wir uns schon, und wir kümmern uns gut darum, das glauben Sie man! Jedes Jahr reiche ich der Vormundschaft die Abrechnung ein, und nicht einmal, daß die Herren was zu meckern gehabt haben.«
    »Wenn Sie sich um Rosemaries irdisches Erbe kümmern«, sagte der Professor, »so will ich Ihnen nicht dareinreden, und es soll mir recht sein. Aber wie steht es mit ihrem himmlischen Erbteil?«
    »Nun, Herr Professor«, lachte der Päule Schlieker merklich erleichtert. »Wenn meine Mali und ich auch bloß einfache Leute sind, Heiden sind wir darum doch nicht, und unser ›Komm, Herr Jesu‹ beten wir Mittag und Abend vor jeder Mahlzeit. Aber für die Marie ist das alles nichts, und im ganzen Dorf gibt es kein vertrotzteres und verstockteres Mädchen als sie.«
    »Das mag ich doch nicht auf ein bloßes Wort hin glauben«, sagte der Professor. »Ich habe meinen lieben Freund Thürke, der Rosemarie Vater, gekannt, und ein sanfterer, friedfertigerer Mensch hat nicht oft gelebt.
    Und seine Frau Elise habe ich auch gekannt, und von ihr darf man wohl sagen, daß sie in einer wahren Märchen-und Wunderwelt zu Hause war und von diesem Leben nicht mehr wußte als ein Kind. Wenn wir aber sagen, daß der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, so muß das auch hier seine Geltung haben, und darum bitte ich Sie, Herr Schlieker, holen Sie mir das Kind einmal. Ich habe es nur erst im Dunkeln gesehen, und ich möchte meines Freundes Tochter einmal im Licht anschauen und in Ihrer Gegenwart einmal mit ihr reden und sie befragen.«
    »Sie hat jetzt keine Zeit«, sagte der Schlieker mürrisch. »Sie hat sich den ganzen Nachmittag herumgetrieben, jetzt soll sie erst einmal ihre Arbeit tun.«
    »Nun«, antwortete der Professor sanft, »sie wird ja nicht die ganze Nacht zu arbeiten haben. Ich warte dann hier. Ich bin zwar sehr müde und sehr hungrig, aber ich warte dann hier, Herr Schlieker.«
    Und der Professor setzte sich langsam und bedächtig wieder in seine Sofaecke.
    Der Mann der List, Schlieker, sah halb wild, halb verzweifelt auf diesen Mann der sanften Geduld. »Und werden Sie gleich

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