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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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nicht«, versetzte Schlieker und sah der hohen Gestalt nach. »Gute Nacht, Herr Professor«, rief er auch noch. Aber darauf bekam er keine Antwort mehr.
    Nicht, daß der Professor dem Schlieker keine gute Nacht hätte wünschen mögen. Nein, aber er war mit seinen Gedanken schon weitab, er überlegte, wo er diese Nacht bleiben würde. Dabei dachte er an die Krugsküche mit den leise raschelnden Regimentern von Schaben, und es ekelte ihn in seiner Säuberlichkeit. Und wieder dachte er an den endlosen, sandigen Weg bis zum Bahnhof Kriwitz, und Müdigkeit und Gleichgültigkeit wuchsen so, daß er sich am liebsten auf einen Stein am Weg hingesetzt hätte, zum Einschlafen.
    Aber auch davor bewahrte ihn sein Sinn für Ordnung, und plötzlich fiel ihm der fröhliche Bauer Tamm ein und gleich wurde ihm leichter. Es war, als ginge ein helles Licht von dieser Fröhlichkeit aus, in seine Brust hinein.
    »Er ist gerade der Rechte für mich«, dachte er. »Und um Rat und Hilfe werde ich bei ihm auch nicht vergebens anklopfen.« –
    Dann kam er aus dem Kalten ins Warme, aus dem Dunkel ins Licht, über seinem Kopf bimmelte die Türschelle endlos, und gerade vor ihm saß auf der Diele vor einem hochaufgefüllten Teller mit fettglänzendem Gesicht der dicke Bauer Tamm, links die Frau Lowising, rechts der Sohn Maxe.
    »Ich bin nicht zu sprechen, ich esse«, rief Tamm und blinzelte mit seinen Äuglein, um den Besucher unter der Tür zu erkennen.
    Der stand still.
    »Oh, Vadding!« rief die Frau Louise, »das ist ja der alte Herr Professor, der zu Schliekers gegangen ist wegen der Marie. Hütefritz hat uns doch erzählt …« Schon war sie hoch, faßte den alten Mann sanft bei der Hand, zog ihn unter das Lampenlicht und sah ihn besorgt an. Aber wie sie ihn so ansah, der da ganz ergeben und verloren lächelnd dastand, lief ein Lächeln über ihr Gesicht, und sie wollte es verschlucken. Aber es kam wieder und wurde stärker, und es wurde ein Lachen daraus, und jetzt lachten auch schon die beiden Männer, und es war eine ganze Weile weiter nichts zu hören als: »Haha!« und »Hihi!« und »Hoho!« und: »Haltet mich! Haltet mich! Ich darf bei vollem Magen nicht so lachen!«
    Doch der alte Lehrer stand in all dem Lachen völlig verloren da, und einen Augenblick grübelte er darüber, ob wohl je in seinem Leben Menschen schon einmal so über ihn gelacht hätten.
    Und dann fiel ihm wieder sein stilles Studierzimmer mit der stummen Müllern ein, wo ihm so etwas nie hätte geschehen können … Aber da rief auch schon die Bäurin Tamm ganz erschrocken: »Nein, Herr Professor, es ist ja wohl eine Sünde und Schande, daß wir hier stehen und über solchen feinen Herrn lachen, dumme Menschen, die wir sind. – Willst du jetzt endlich ruhig sein, Maxe! Hol lieber den Spiegel! – Das sieht ja wohl ein jeder, daß Sie keine Ahnung haben, wie Sie ausschauen; und wer Sie so hinterlistig zugerichtet hat, das braucht uns keiner erst zu erzählen. Den Schleicher kennen wir alle hier im Dorf, plattdeutsch und hochdeutsch, Herr Professor. – Und nun weise dem Herrn mal sein Gesicht, Maxe!«
    Der Professor blickte in den Spiegel, und da sah er denn, daß er von der Katzenstreichelei und Fütterei sein Teil Kohlenstaub aus dem Schliekerschen Stall abbekommen hatte. Und wenn schon das ganze Gesicht mit Schwarz und Schmuddelig und Grau schlimm genug aussah, um den Mund saß es in noch dickeren Krusten. Hatte ihm schon vorher das Abendessen nicht gutgetan, so wurde ihm jetzt, da er seinen wahren Brotbelag vor Augen hatte, völlig wind und wehe im Leib.
    So hat sich wohl noch nie ein geistlicher Professor vom Königlichen Prinz-Joachim-Gymnasium an der Grunewaldstraße zu Berlin-Schöneberg ins Angesicht geschaut; und so tat er’s denn mit aller Gründlichkeit und meinte dazu sachte: »Aber der Herr Schlieker hat dies denn nun doch nicht getan, liebe Frau. Ich habe nämlich die Katze in seinem Kohlenstall gefüttert.«
    »O Gott, o Gott!« stöhnte der dicke Tamm auf seinem Sofa. »Ganz wie der schwarze König aus dem Mohrenlande. Und auch so freundlich. Haltet mich! Haltet mich!«
    Aber bei ihm war das Halten nicht so notwendig wie bei einem andern, denn plötzlich sagte der Professor ganz kläglich: »Ich möchte Ihnen keine Ungelegenheiten machen. Aber ich glaube, ich falle um.« Und damit sank er auch schon an der starken Frau Lowising hin, und hätte sie nicht schnell den Ohnmächtigen umgefaßt, so wäre er wohl hart auf dem Steinfußboden

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