Altes Herz geht auf die Reise - Roman
verdienstliche Person geworden, denn er war aufmerksamer gewesen als der Gendarm Peter Gneis, und irgendein Grund, ihn noch gefangenzuhalten, bestand nicht.
Daher kam es, daß Päule Schlieker so zufrieden und vergnügt in Unsadel einzog. Aber daß er sich da etwa heimlich einschleichen sollte wie ein entlassener Verbrecher – den Spaß wollte er den Unsadelern nun doch nicht machen! Sie alle hatten seinen Abmarsch mit dem Gendarmen so aufmerksam betrachtet, daß sie auch an seiner Rückkunft ihr helles Vergnügen haben sollten!
Da war es gut, daß er auf dem Wege von Kriwitz nach Unsadel den alten Fellhändler Lau getroffen hatte. Dem hatte er mit ein bißchen Zureden und gegen das Versprechen einer kostenlosen Kalbshaut (es waren aber die Würmer drin, was er dem Lau nicht erzählt hatte) die Trillerpfeife, mit der er die Leute vor die Tür lockte, abgeborgt.
So kam Freund Päule Schlieker nach Unsadel, und kaum war er an der Windmühle vorbei und die ersten Dorfhäuser lagen rechts wie links, da setzte er die Pfeife an den Mund und fing zu trillern an wie der alte Lau.
Und richtig! Die da um ihren Mittagstisch saßen und aßen, fuhren hoch, und Vadding rief zu Mudding: »Muß uns der alte Zickenbart doch richtig wieder in die Suppe fallen! Mudding, halt ihn draußen fest, bis ich die Kuhhaut vom Boden geholt habe, und es müssen auch noch drei Hasenfelle hinter dem Ofen von der Altenteilerstube stehen!«
Als sie aber vor ihre Häuser kamen, war’s nicht der alte, demütige Lau, sondern ihr Mitbürger Päule Schlieker, und wie ein rechter Bosheitsteufel, der er ja auch war, verbeugte er sich nach rechts und nach links und zog seinen Hut und griente denen, die da mit ihren Häuten und Fellen standen, recht freundlich zu.
Und jeder Fluch, den sie über ihn sprachen, war ihm recht, und jede Verwünschung, die sie ihm nachriefen, freute ihn, und wenn sie ganz still waren und spuckten nur vor blasser Wut aus, da verbeugte er sich noch einmal extra.
So dienerte und trillerte und griente er sich durchs Dorf und ging ordentlich auf wie ein Hefekuchen vor quellender Bosheit. Beim Spritzenhaus gab er seine letzte Pracht- und Galavorstellung, und seine Mali hätte er gerne dabei gehabt, die hätte sich auch gefreut!
Als nun aber Schlieker um die letzte Hausecke bog und jetzt waren es nur noch fünfzig Schritt am Gartendrahtzaun entlang bis zum eigenen Hoftor –, da blieb er mit einem Ruck stehen. Denn vor sich sah er einen Jungen, einen ziemlich großen Schuljungen, der, halb hinter einem Zaunpfosten, halb hinter einem Busch versteckt, eifrig in den Schliekerschen Garten und nach Frau Schlieker spähte, die da Land umgrub.
Schlieker sah sich das an. Der Junge kehrte ihm beharrlich den Rücken zu und spähte mit staunenswerter Geduld. So trat Schlieker vom Weg auf den Grasstreifen neben dem Weg und ging sanft und still auf dem Grasstreifen näher an den Jungen heran. Als er ihn aber erkennen konnte, blieb er wieder mit einem Ruck stehen. Denn dieser Junge war der Sohn vom Bauern Gau, und hatte Schlieker bisher gedacht, es sei bloß irgend so ein Bengel, der hier wegen der Marie lauerte (denn die hingen ja alle wie Pech und Schwefel an ihr), so war das jetzt ausgeschlossen.Denn daß Marie die Gaus mit allem, was ihnen anhing, seit der Pflegekinderzeit bei ihnen haßte, das wußte er wohl.
Wenn aber so ein Gaubengel mittags Klock zwölf zur Essenszeit am Schliekerschen Gartenzaun lauerte, so hatte es damit eine besondere Bewandtnis, und eine gute bestimmt nicht. Zwar war Schlieker mit allen Leuten im Dorf verfeindet, die Gaus waren aber doch so recht seine Ober- und Herzensfeinde. Das stammte noch aus der Zeit, da er ihnen ihr Pflegekind Marie abgejagt hatte und da dem Schlieker kurz drauf eine Kuh auf dem Kleetüder an der Trommelsucht verreckt war.
Schlieker war noch heute davon überzeugt, daß daran die Gaus schuld waren, die der Kuh boshaft nassen Klee vorgeworfen hätten – trotzdem er mit dieser Klage vom Gericht (Schreischulze!) abgewiesen worden war.
Schlieker trat schnell hinter einen Dornbusch, denn nun glitt der Junge leise den Zaun entlang auf das Hoftor zu, dabei fleißig nach der grabenden Frau spähend.
Die sah nicht auf, nur manchmal klang der helle Ton des Spatens herüber, der einen Stein getroffen hatte. Den Zaun entlang glitt der Junge, den Rain entlang glitt Schlieker – im Garten grub still die ahnungslose Frau. An der Einfahrt zum Hof blieb der Junge stehen und sah sich vorsichtig um.
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