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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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»Kiek du und der Teufel«, dachte Schlieker hinter einem Dornbusch. »Gleich wird der Bello anschlagen.«
    Aber Bello schlug nicht an, und Otsche Gau glitt weiter, jetzt auf den Schliekerschen Hof. Eigentlich hatte er nur Posten stehen sollen, dann aber hatte er Botschaft vom alten Kuhstall bekommen, er möge bei ganz reiner Luft doch versuchen, ob nicht etwas von Rosemaries Wäsche, Schuhzeug und Kleidern zu erreichen sei.
    Nun, seit einer Viertelstunde war die Frau aus dem Haus und schien sich auf längere Gartenarbeit eingerichtet zu haben. Auf dem Hof konnte sonst keiner sein, dennPäule Schlieker saß sicher in Nummer Sicher (dachte Otsche), und so wagte er es, um großen Ruhm zu erwerben.
    Der Junge kam über den Hof, öffnete sachte die Tür zum Windfang und stand in der fliegendurchburrten Küche. Er kannte das Haus aus der Zeit, da Rosemarie noch seine Pflegeschwester gewesen war, und so wußte er, daß er durch die Tür neben dem Kochherd zu gehen hatte.
    Er tat’s und war nun in der Stube der ehemaligen Pflegekinder. Er sah durch das Fenster in den Garten, und da stand nun unten, keine sechs Schritte entfernt, die grabende Frau. Die Fensterscheibe war zwischen ihnen, und die Frau dachte gar nicht daran, herzusehen, und selbst dann hätte sie ihn aus dem Hellen ins Dunkle nicht sehen können, aber dem Jungen klopfte das Herz doch gewaltig. Da konnte er sich zehnmal sagen, daß er nichts Schlechtes tat, daß die Wäsche und die Kleider doch der Rosemarie gehörten – es half nichts; das Herz hüpfte doch, und am ganzen Körper wurde er naß von Schweiß.
    So dauerte es eine ganze Weile, bis der Junge sich entschloß, die Tür aufzumachen. Da hatte er es aber auch geschafft, denn nun war er in Rosemaries Stübchen, und der Schrank gradezu, das war der Schrank, in dem sie ihre Sachen hatte. Der Schlüssel steckte, und je länger Otsche zögerte, um so schlimmer klopfte das Herz. Er huschte ins Haus, aber alles war totenstill. Er gab sich einen Ruck, und mit zwei Schritten war er am Schrank. Er schloß auf. Da lag nun all das Wäschezeug in kleinen Päckchen vor ihm – aber was sollte er nehmen? Otsche hatte auch Schwestern, doch darum noch lange keine Ahnung, was diese Mädels sich alles auf den Leib zogen. Strümpfe – na schön, Strümpfe waren bestimmt richtig, und er griff sich vier, fünf Paar. Eines fiel hin, er bückte sich danach und sah – auf einen halben Meter Entfernung! – in das hämisch grinsende Gesicht Päule Schliekers!
    Das Herz stand ihm still …
    »Schön, daß du mich auch mal besuchst, Otsche Gau«, grinste Päule Schlieker, noch immer hinter der angelehnten Tür kauend.
    Doch im gleichen Augenblick schlug Hohn in Zorn um. Mit beiden Händen faßte Schlieker den zitternden Jungen bei den Schultern, riß ihn zu sich, stieß ihn fort, riß ihn zurück und wieder fort und hin und her, hin und her …
    »Du verfluchtes Biest! Dieb und Sohn eines Diebes! Ich schlage dich tot!« keuchte er und dachte an die krepierte Kuh.
    In dem haltlos hin und her fliegenden Kopf des Jungen war nur ein Gedanke: »Ich will nicht Angst haben … Ich will nicht Angst haben vor Schlieker … Ich will nicht …«

10. KAPITEL
    Worin Rosemarie viel Geld bekommt und Otsche für sein Leben läuft
    Ein rechter stiller und friedlicher Herbstsonnentag war dieser Gerichtstag für die drei Menschen im Waldhaus, keine Ahnung der Dinge, die über sie gesprochen und beschlossen wurden, rührte sie an.
    Noch schlief der Professor sanft, da kam Heini Beier schon mit einem Tragkorb marschiert und packte aus, was sich in nächtlicher Eile hatte besorgen lassen: Eier und Schmalz, Butter und Salz, Brot, Speck und Mettwurst, dazu Malzkaffee und ein derbes Stück Schinken. Sogar an eine Kanne Milch hatten sie gedacht: »Aber die Kanne muß gleich wieder zurück, sonst spukt’s bei Strohmeiers«, sagt Albert.
    Er nahm sie zurück und die verhängnisvolle Botschaft von Rosemaries Kleidern und Wäsche dazu.
    Als dann der Professor aufwachte, roch es schon verheißungsvoll nach Eiern und Speck. Freundlich grüßte er das geschäftige Mädchen, gab ihr nun wirklich einen Kuß auf die Stirn und sprach: »Guten Morgen, Kind. Ich habe gut geschlafen und fühle mich wieder ganz frisch und kräftig. Und du –?«
    »Danke, Pate. Gleich werden wir Frühstück haben.«
    Den Professor kam es nicht an zu fragen, welch Tischleindeckdich diese Frühstücksdinge in das kahle Waldhaus gezaubert hatte, und so frühstückten sie denn langsam

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