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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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und behaglich, Philipp freilich gesondert vor dem Stall auf einem Hackeklotz. Der Professor schlug vor, nach dem Frühstück zu den Vormündern zu wandern, um mit ihnen zu sprechen: Auf daß alles auch seine Richtigkeit vor Gott und der Obrigkeit bekomme.
    Aber Rosemarie war dagegen, es seien drei Stunden hin und drei Stunden zurück und der Pate habe sich seinen Ruhetag gewiß verdient. Morgen könne man dann ja sehen …
    Sie schwieg von dem Beschluß, erst einmal abzuwarten, was mit Schlieker würde, sie schwieg auch von der Nachricht, die Hütefritz gebracht, der Professor habe abreisen wollen ohne ein Wort. Im Mondschein auf der Waldwiese hatte es ganz möglich ausgesehen, den alten Mann mir nichts, dir nichts zur Rede zu stellen, aber heute am Tage war alles anders.
Ein
Ding ist der Beschluß, nur noch mit der Wahrheit im Bunde zu sein, ein ander Ding, ihn durchzuführen.
    Sie sprach nicht von der Herkunft der Eier, nicht von der Flucht des Professors, nicht von der Gefangennahme Päule Schliekers, auch nichts von ihren Plänen und Absichten.
    Sie setzte dem Paten mit Philipp zusammen einen Lederstuhl in die Sonne und packte ihn gut in eine warme Decke. Sie gab ihm seine Bibel in die Hand, und dann machte sie sich an ein gründliches Reinmachen des Stalles. Darüber sah sie von Zeit zu Zeit immer wieder zu dem alten Mann hin, sie hatte noch etwas anderes auf dem Herzen, aber selbst um eine so einfache Sache zu fragen hielt schwer.
    Der Professor saß stillzufrieden in der lichten Wärme, er las in seiner geliebten Offenbarung, die ihm neu und schön war wie am ersten Tag. Dann und wann ließ er das Buch sinken und sah nachdenklich auf den Buchenwald, aber er wußte natürlich nicht, daß es Buchen waren, er wußte nur, daß es Wald war. Von den Zedern des Libanon hätte er mancherlei zu berichten gewußt, er hätte sogar ihr Aussehen beschreiben können – er kannte sie aus Abbildungen und Büchern –, doch von den Bäumen im deutschen Walde wußte er nichts.
    Manchmal kam ihm aber doch zum Bewußtsein, wie weit aus der Welt er wohnte, zum Beispiel jetzt, als Rosemarie ihn – nach einer Stunde Zögerns – fragte:
    »Kannst du mir wohl ein bißchen Geld geben, Pate?«
    »Ja, natürlich«, sagte der Pate, legte das Buch der Bücher sorgsam auf die Knie und fuhr mit beiden Händen unter die Decke in die Taschen: »Wieviel brauchst du?«
    »Vielleicht drei Mark«, bat Rosemarie verlegen. Und rasch: »Ich will nämlich Philipp schicken, daß er uns ein bißchen Essen einkauft. Und Petroleum für die Lampen müssen wir auch haben.«
    Der Pate hatte die Bibel auf den Knien liegen und jetzt auf ihr die Brieftasche mit dem Papiergeld und wieder darauf das geöffnete Portemonnaie mit Silber, Nickel und Kupfer.
    Etwas hilflos sah er auf diese Dinge. »Weißt du, Rosemarie«, sagte er dann zögernd, »ich habe so viele Jahrenicht mit Geld zu tun gehabt, daß ich ihm recht entfremdet bin.« Er nahm ein Silberstück in die Hand und besah es prüfend. »Was ist zum Beispiel dies für eine Münze?«
    »Ein Taler, Pate.«
    »Schön, Rosemarie, du weißt also damit Bescheid, aber ich weiß es nicht, und ich denke auch nie an Bezahlen. Willst du mir nicht diese lästigen Gelddinge abnehmen?«
    Er schob alles zusammen und hielt es ihr mit beiden Händen entgegen.
    Ein leises Rot stieg in Rosemaries Wangen. »O Gott, Pate«, sagte sie. »Das willst du mir anvertrauen? Es ist ja so viel Geld –!«
    »Ist es das? Nun, ich bin überzeugt, du wirst sorgsam damit umgehen.«
    »Gewiß. Gewiß!« rief Rosemarie. »Ich zähle es gleich nach und gebe dir eine Quittung.«
    Sie stand vor ihm, das Geld in der Hand, freudig und gerührt. Jetzt wäre der Augenblick gewesen, ihm ihr Herz zu öffnen. Aber der Augenblick ging ungenützt vorüber, er nickte ihr freundlich zu und sah schon wieder in die Bibel, da ging sie.
    Dann saß sie im Waldhaus am Holztisch und zählte, sie störte ihn noch einmal. »Pate, es sind 217 Mark und 83 Pfennig – hier ist die Quittung –, darf ich auch etwas zum Schuheputzen kaufen? Es ist nichts da.«
    »Jawohl, jawohl«, nickte er abwesend, schob die Quittung zwischen die Seiten der Bibel und las weiter. Sie saß noch eine Weile über dem Geld, ihr Herz klopfte heftig. Die höchste Summe, die sie je besessen, waren fünfzig Pfennig gewesen. Herr Vogel hatte sie ihr einmal zum Geburtstag geschenkt, und am gleichen Tage noch waren sie ihr von Frau Gau wieder abgenommen worden.
    Sie saß und sann. Dies viele

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