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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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war doch entzwei?«
    »Das linke Vorderrad, Herr Amtsgerichtsrat. Aber es war nicht entzwei, der Wagen war heil.«
    »War heil?! Das war also auch gelogen?«
    »Jawohl, Herr Amtsgerichtsrat. Ich will aber jetzt auch nicht mehr lügen, Herr Amtsgerichtsrat. Ich sehe doch, Sie sind zu schlau für mich.«
    »Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen keine Fisematenten machen, Schlieker?!« schrie der Amtsgerichtsrat. »Das ist eine Unverschämtheit zu sagen, ich bin zu schlau für Sie. Jetzt, grade jetzt wollen Sie mich einseifen bis über die Ohren.«
    »Nein, Herr Amtsgerichtsrat, ich will die reine Wahrheit sagen.«
    »Also Sie gestehen zu, daß Sie die Kinder nicht ausliefern wollten?«
    »Doch, Herr Amtsgerichtsrat«, sagte Päule mit dem blauesten Blick seiner Augen. »Die Kinder wollte ich gestern wirklich und wahrhaftig abliefern, und nur die Giftkröte, die kleine Thürke, hat mir einen Streich gespielt.«
    »Schlieker«, sagte der kleine Mann sehr befriedigt, »so gefallen Sie mir viel besser. Leugnen, das paßt zu Ihnen, aber gestehen, ach nee, Schlieker. – Also, wie haben Sie denn das nun gemacht mit der sogenannten Ablieferung?«
    »Klock fünfen am Morgen habe ich die Thürke mit den Kindern ins Boot gesetzt …«
    »Das Boot war also nicht bei Ihrem Vetter in Biestow?«
    »Nein doch, Herr Amtsgerichtsrat, das habe ich bloß dem Herrn Gneis so erzählt.«
    »Erzählt? Erstunken! – Also weiter! Warum ins Boot?«
    »Weil sie doch über den See fahren sollte für die Ablieferung …«
    »Aber Sie lügen ja schon wieder, Schlieker«, schrie Schreischulze wütend. »Thode, kann man von Unsadel in einem Boot zum Amt fahren?«
    »Erst wenn Sintflut gewesen ist, Herr Amtsgerichtsrat.«
    »Sehen Sie, Schlieker!«
    »Und es ist doch so, wie ich sage. Ich habe genau mit der Giftkröte die Stelle verabredet, wo wir uns am Kriwitzer Weg treffen wollten, da, wo am See die drei Silberpappeln stehen.«
    »Sie hatten’s doch einfacher durchs Dorf?«
    »Aber wo wir uns doch so geschämt haben, Herr Amtsgerichtsrat, meine Frau und ich. Die im Dorf sollten’s doch gar nicht erfahren, daß ich die Kinder abliefern mußte. Darum habe ich die Rosemarie mit den Kindern über den See ans andere Ende vom Dorf geschickt, und ich wollte mit dem leeren Wagen hin und erst drüben aufladen.«
    »Na, geschämt haben Sie sich wohl nicht so sehr, Schlieker, aber die Schadenfreude haben Sie den andern nicht gönnen wollen, was?«
    »Das ist doch dasselbe, Herr Amtsgerichtsrat. Aber wie ich nun mit Wagen und Pferden zu den Pappeln hinkomme, ist keine Rosemarie mit den Kindern zu sehen, nein, gar nicht. Diese Giftkröte! Und kommt auch nicht, solange ich warte! Schließlich fahre ich nach Haus, und meine Frau und ich, wir suchen stundenlang im Schilf, aber da rührt sich nichts, und kein Kind plärrt. Und darum, Herr Amtsgerichtsrat, habe ich auch nicht aufgemacht, als die klopften. Ich wußte doch rein gar nicht, was ich sagen sollte. Geglaubt hätte mir ja keiner meine Geschichte, und vorweisen konnte ich die Kinder auch nicht.«
    Der Amtsgerichtsrat hatte sehr aufmerksam und sehr ruhig zugehört. Nun nahm er die Meldung des Gendarmen Peter Gneis noch einmal, warf einen flüchtigen Blick auf sie und legte sie entschlossen fort.
    »Hat Sie wohl jemand mit dem Wagen durchs Dorf fahren sehen, Schlieker?« fragte er.
    »Es mag sein, es mag aber auch nicht sein, Herr Amtsgerichtsrat. Denn fortwärts war es noch ganz dunkel und heimwärts habe ich keine Gedanken für anderes gehabt, als daß die Kinder weg waren und die Thürke dazu.«
    »So«, sagte der Amtsgerichtsrat. »So.« Er strich nachdenklich seinen Bart und ließ den Päule keinen Augenblick aus den Augen. Der aber stand so brav und bieder da wie nur einer und hatte Warten gelernt.
    »Haben Sie denn«, fing der Amtsgerichtsrat achtsam wieder an, »in der letzten Zeit mit Rosemarie Thürke solchen Streit gehabt, daß Sie ihr einen so hinterlistigen Streich zutrauen? Ich dachte, es ginge jetzt besser, bei mir hat sie sich lange nicht sehen lassen.«
    »Das will ich glauben«, sagte der Schlieker, legte den Giftpfeil auf den Bogen, spannte und schoß. »Denn jetzt hat sie es nicht mehr mit den Vormündern und mit Ihnen, sondern mit dem alten Lustgreis.«
    »Mit wem?!« schrie der Amtsgerichtsrat und sprang so plötzlich vom hohen Stuhl, als hätte der Pfeil ihn körperlich getroffen. »Was ist denn das nun wieder?!«
    »Das ist es, Herr Amtsgerichtsrat«, sprach Schlieker

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