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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Rittergut Tischendorf, er, der Bankert aus dem Mägdebett in Biestow.
    Läßt Erfolg vergessen? Macht er versöhnlicher? Nein, dafür sorgen schon die andern! Da ist die hübsche Geflügelmamsell – als er die umfassen will, erinnert sie ihn gleich, wer er ist und wer sie. Da sind Jungen, die er beim Apfelstehlen im Rittergutsgarten ertappt – als er ihnen nachläuft, höhnen sie frech: »Biestower Bankert! Armenhäusler!«
    Seine Schulgefährten in Biestow sind alle weiter nichts geworden, die Bauernsöhne wurden wieder Bauern oder auch bloß Knechte, die Häuslersöhne wurden Tagelöhner oder nicht einmal das, er aber hat etwas geschafft, er ist Gutsgärtner geworden! Er besitzt schon fast tausend Mark. Aber der Bankert hängt an ihm, am Gutsgärtner wie am Magdsohn, in Tischendorf wie in Biestow.
    Nein, wir blecken weiter die Zähne, wir lassen nicht nach, tausend Mark –? Jetzt haben wir schon viertausend!
    Da ist die Bäckertochter, die fünfte von den sechs Töchtern des reichen Bäckermeisters Saß in Kriwitz, die kriegen wir! Sicher ist sie mit dem scharfen, vogelartigen Gesicht keine Schönheit, aber deswegen bekäme sie solch Biestower Bankert noch lange nicht … aber sie hat einen Flecken, einen Makel, ein Gebrechen!
    Die Leute sagen, der dicke Bäcker Saß trinke zuviel – aber die fünf andern Mädchen sind doch gesund? Gott muß es doch nicht gut gemeint haben mit ihr, da er von den sechsen allein sie die Fallsucht bekommen ließ, Epilepsie nennt das der alte Geheimrat Faulmann.
    Zeitweilig ging es ihr schlimm, zeitweilig fiel sie am Tag sechsmal, achtmal und bekam Schaum vor den Mund. DieEltern mochten es nicht mehr, die Schwestern mochten es nicht mehr – also fort mit ihr!
    Makel zu Makel, Schande zu Schande – Paul Schlieker aus Biestow ist der rechte Mann dafür.
    Doch auch hier zeigte sich wieder das Glück, das Schlieker bei allem hatte, was er anfaßte; kaum war Amalie Saß verheiratet, war die Fallsucht fort! Nun hatte er eine gesunde Frau, eine volle Aussteuer und dreitausend Mark Mitgift dazu – konnte ein Bengel aus dem Biestower Armenkaten mehr verlangen –?
    Verlangen –?
    Er bekam ja noch viel mehr! Er bekam ja die richtige Gefährtin, ihm auf den Leib geschneidert, Gift kam zu Gift und Haß zu Haß – siehe da, wie es paßte!
    Jawohl, Amalie Saß, jetzt Mali Schlieker – man wird nicht umsonst von Eltern und Geschwistern ewig in ein Hinterzimmer gesperrt, darf sich vor den Menschen nicht sehen lassen, ist die Schande der Familie – und hat dabei fünf gesunde Schwestern, die den ganzen Tag durch das Haus singen und lachen, die ihre Abenteuer haben mit Verehrern und die nur dann wortkarg und verdrossen werden, wenn sie einmal Schwester Mali sehen. Nicht umsonst wird man Jahre so gehalten!
    Sie hatte nicht wie Päule arbeiten und schaffen können, sie hatte nicht wie er die Triumphe des Schlauerseins, des Vorwärtskommens gefeiert, sie hatte immer in einem blöden, öden Hinterzimmer hocken müssen – da kam er und machte sie frei!
    Schurke und Schuft, erbarmungsloser Feind, schlauer Betrüger – aber recht so, aber viel mehr noch, man kann gar nicht erbarmungslos genug sein mit diesen Menschen! Bedingungsloses Einvernehmen, Kameradschaft durch dick und dünn, Päule und Mali – das ist
ein
Klang,
ein
Haß, das ist derselbe Mensch!
    Da war dieses Mündel der Frau von Wanzka, diese Tochter vom verstorbenen Pastor Thürke – eine Zeitlang sah es aus, als sollte Frau von Wanzka vor diesem Kind nie Ruhe bekommen. Die Vormünder hatten es dem Bauern Gau in Pflege gegeben, aber da war es nun alle Woche zwei-, dreimal bei der Gnädigen mit Klagen, es werde schlecht behandelt, müsse über seine Kräfte arbeiten, bekäme nicht satt zu essen.
    Aber das waren nur die geringsten Klagen, in der Hauptsache ging es ihr um den kleinen Hof, den ihr der Vater vererbt hatte.
    Bauer Gau hatte Haus und Stallungen abgeschlossen, er bewirtschaftete das Land nur so nebenbei, er hatte eigen Land genug. Nun klagte das Mädchen, es verunkraute alles, die Obstbäume verkämen, der Zaun falle um, in den ungelüfteten Räumen stockten vor Nässe die Wände.
    Ewige Klagerei, nicht abreißende Beschwerden – Frau von Wanzka war Witwe, sie hatte 8000 Morgen Land zu bewirtschaften, 38 machten ihr nun bald mehr Kummer.
    Schliekers hatten dies gehört und jenes, sie hatten sich ihren Vers gemacht, sie trafen das Mädchen zufällig, bald er, bald sie, sie redeten ihm gut, heißt schlecht, zu. Sie war ja nur

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