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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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diese Wut noch nach hinten gerichtet, aber die Gaus liefen nicht fort, für sie war noch immer Zeit … Die Straße senkte sich, der Mann dachte nun nach vorn, er ging heim zu seiner Frau, die ihm dies eingebrockt hatte, die Wut schlug um. Gaus konnten warten, ja, mit Gau mußte er sogar warten, aber dieses Weib, diese Frau ohne Nachdenken …
    Er blieb stehen, er wechselte das Rad von der rechten in die linke Hand, er probierte den freien rechten Arm – jawohl, es ging, er konnte zuschlagen. Und er würde zuschlagen.
    Weiter, weiter den Dornenweg der Wut, verbissenen Ingrimms, stillen Hasses.
    Es kann keine Rede davon sein, Paul Schlieker, daß dies dir nicht schon an der Wiege gesungen worden sei: dies Lied ward dir, leider, schon an der Wiege gesungen. So war es von deinem ersten Lebenstag an, wenn es auch nicht grade eine Wiege war, sondern das Strohende eines Mägdebettes auf einem Hof zu Biestow. Geduldeter Bankert der Erna Schlieker, geborene Schlieker, ewig unverehelichten Schlieker. Vater unbekannt.
    Unbekannt –? Der schmerzgepeinigte Heimkehrer erinnert sich noch gut an den Mann, der mit festen Schritten über den Hof in Biestow ging und so gerne mit der Spitze seiner Stiefel nach dem umherkriechenden Gewächs stieß: »Weg du, Bankert!«
    Er ist ein schlauer Fuchs, der Robert Tode, er erkennt Bankerte nicht an, und wenn er seinen Hof dem Schwiegersohn, dem Mann der einzigen Tochter, übergibt, so gibt er sich damit nicht in die Hände der Kinder, sondern verpachtet den Hof bloß. Denn als Herr wünscht Robert Tode zu sterben, verhätschelt von allen Erben nah und fern, ein angesehener Mann, mit Sitz im Gemeinderat.
    Sein Sohn, der Bankert, der Recht- und Erblose, hat die Schläue vom Vater geerbt, das Fuchsige, aber er ist nie ein Herr gewesen und wird nie einer werden. Als kleines Kind hatte er schon gelernt, daß es zwecklos war, gegen die Stiefelspitzen anzubrüllen, daß dann nur die Mutter kam und es noch Schläge dazu gab. Er hatte gelernt, dem Schritt der Gefahr zu lauschen und sich vor ihm zu verstecken. Er, der Bankert, wuchs auf der andern Seite des Zauns auf, an seiner Außenseite, der Gefahrenseite, aber aus seinen Verstecken heraus hatte er die Menschen belauert.
    Er wurde nicht demütig-feige, nicht wortlos-ertragend wie die Mutter, die Erna, unverehelichte Schlieker, die sich ein paar Jahre gebrauchen und dann wegjagen ließ, um irgendwo zu verderben. Etwas von der zähen, festhaltendenKraft des Vaters steckte in ihm. Verstecken – ja! Listig – ja! Aber auch die Zähne blecken, beharren, einschüchtern, schamlos sein, lügen und betrügen. Was weiß ein Bankert von Scham? Schon in der Dorfschule will keines auf der gleichen Bank mit ihm sitzen.
    Da kann er es nur mit List und Schamlosigkeit weiter bringen, er verachtet alle, alles und sich dazu. Er borgt sich schließlich auch mal die Trillerpfeife vom alten Fellhändler Lau und triumphiert im Ruhmesglanz seiner Schande pfeifend durch das Mittag essende Dorf!
    Bis er soweit ist, bis sie ihn für so wichtig halten, daß sie sogar eine Redensart auf ihn erdenken, hat er einen weiten Weg. Er muß sich drehen und wenden, er muß tüchtiger sein als alle andern. Sie haben ihn nichts lernen lassen, sondern, als er vierzehn war, aus dem Armenkaten zu einem Bauern gesteckt und: »Nun sieh, was du mit dir anfängst. Lange genug hast du uns auf der Tasche gelegen!«
    Jawohl, doch, doch, er fängt etwas mit sich an, denn er hat nicht nur Schläue, sondern Verstand. Zudem weiß er nichts von Besitz, der Sicherheit und Rückhalt gibt, er steht für sich allein. Nicht lange, so kann er mit Pferden umgehen und mit Kühen, er kennt jede Ackerarbeit, trotz des ältesten Bauern. Er doktert mit dem Vieh, schon haben die Leute Angst vor dem langen, listigen Burschen, aber sie holen ihn. Er tut alles, er arbeitet in der Forst, er ist Regimenter gewesen beim Schwellenhauen, er kann ein Rohrdach legen, Steine sprengen, er wurde auch Handlanger bei den Maurern. Aber wenn einmal kein Maurer zur Hand ist, so mauert er auch allein eine Wand hoch, schön mit Wasserwaage und Lot, kein Pfusch – und er bewirft sie auch!
    Ein tüchtiger Mann, ein fleißiger Mann, ein brauchbarer Mann, für jeden Taler schindet er sich das Horn neu von den Händen – und als Frau von Wanzka ihn fragen läßt,ob er bei ihr Gutsgärtner werden will, ob er das kann, sagt er ohne Besinnen: »Ja«. Wieder eine Sprosse höher auf der Leiter, Gutsgärtner, ein festangestellter Mann,

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