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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ein Kind damals, dreizehn, vierzehn, ein recht hilfloses und sehr gläubiges Kind – sie glaubte den freundlichen Schliekers.
    Rosemarie selbst machte Frau von Wanzka den Vorschlag, Schlieker zum Verwalter des väterlichen Hofes einzusetzen und zu ihrem Pflegevater. Frau von Wanzka ließ ihren Gärtner kommen: ob ihm recht sei, was das Kind vorschlage.
    Nein, es sei ihm nicht ganz recht. Hier auf Tischendorf habe er seine acht oder zehn Stunden Arbeit, je nach der Jahreszeit, dort in Unsadel würde er zwölf, auch vierzehn Stunden arbeiten müssen und des Sonntags dazu. Hierbrauche ihm seine Frau nur die Hausarbeit zu machen, und wenn sie im Garten etwas tue, werde es ihr bezahlt, dort würde sie mitarbeiten müssen. Wenn er so etwas übernehme, schlechter dürfe er sich dann nicht stehen, sondern besser. Unter hundert Mark im Monat sei es nicht zu machen, ja, wenn er es richtig rechne, müßten es hundertfünfzig sein. Aber es liege ihm nichts daran …
    Frau von Wanzka hörte sich das an, sie sprach auch mit dem Amtsgerichtsrat darüber und dem Mitvormund. Vielleicht kam noch dazu, daß sie ihren Gärtner nicht ungern gehen sah. Er war kein schlechter Gärtner, beileibe nicht, sie hatte nie einen tüchtigeren gehabt, aber die Leute haßten ihn. Sie behaupteten, sein Gemüse blähe, als sitze es voller Gift, und sein Obst sei immer madig. Seine Blumen machten Kopfschmerzen – und dazu arbeite er ein bißchen zu eifrig in die eigene Tasche!
    »Gut denn, wir wollen einverstanden sein, Rosemarie. Aber komme uns dann auch nicht wieder mit Klagen!«
    Da war Schliekers großes Glück da: Aussicht auf Besitz, Eigentum!
    Sie hatten ihren Plan fertig: nie wieder würden sie vom Höfchen gehen! Natürlich konnte man so wirtschaften, daß bis zu Maries Mündigkeit der Hof nicht ihr, sondern ihnen gehörte!
    Betrug, Hinterlist, schlechtes Wirtschaften, das dem Schlieker in eigener Seele weh tat, all das gehörte dazu. Aber das Ziel stand fest: der Thürkesche Hof wurde Schliekerscher Hof! Anders konnte es nicht kommen, die kleine Thürke war wehrlos! Sie hatte keinen Freund, niemanden, der für sie eintrat, keine Verwandtschaft, die wenigstens schandenhalber nach ihr sah.
    Und nun war dieser alte, schwachköpfige, scheinheilige Frömmler in die Schliekersche Küche getreten, und alles ging verquer! Das unverrückbare Ziel wankte, fast schonErrungenes schien zu zerrinnen. Heute morgen noch hatte Schlieker geglaubt, es komme alles wieder zurecht; heute abend noch, als er zum Austausch zu Gaus ging, hatte er gemeint, endgültig Sieger zu sein …
    Und in dieser entscheidenden Stunde, da es um alles ging, hatte seine einzige Gefährtin, der einzige Mensch, dem er je vertraut …, in dieser Stunde hatte Mali ihn im Stich gelassen, hatte den Jungen fortlaufen lassen!
    Finstere Nacht, nur dunkel angeglüht vom Feuer des Hasses und der Wut! Könnten die beiden, die hinter dem Wankenden, Stolpernden schleichen, in seine Brust sehen – sie würden nie wieder vor sein Angesicht treten …
    Aber die Kinder schleichen ihm nach, und als er auf dem dunklen Hof verschwindet, setzen sie sich an den Weg und überlegen, was nun etwa zu tun wäre.
    Der Mann sieht das Haus, den Stall an – überall ist es dunkel. Er stößt einen Fluch aus, lehnt das Rad gegen die Hofmauer und tritt in das Haus: dunkel gähnt der offenstehende Eingang. Er ruft, erst leise, dann lauter: »Mali!« – er ruft auch über den Hof –, aber sie antwortet nicht.
    Ganz plötzlich ist die Wut fort, auch die brennenden Schmerzen vergißt er fast – er fühlt, hier ist etwas geschehen. Er fühlt: mehr geschah als die Flucht des Jungen.
    Vorsichtig tritt er ein, tastet sich an den Herd, findet die Streichhölzer, brennt eines an, findet die Lampe, zündet sie an, ruft wieder: »Mali!«
    Nichts. Todesstille. – Todesstille.
    Er nimmt die Lampe, will in Maries Zimmer – und zaudert. Es ist, als wollte er eine Entscheidung hinausschieben, denn er geht zuerst in das eheliche Schlafzimmer.
    Er leuchtet – aber alles sieht aus wie vor einer Stunde, als er das Haus verließ. Fast ist es, als schrecke ihn dieser unveränderte Zustand mehr als jede Verwüstung … Einen Augenblick wird er schwach, er setzt sich auf die Bettkanteund starrt vor sich hin, den jämmerlichen Petroleumblaker in der Hand. Jetzt hat sein Gesicht nichts Füchsisches mehr, es ist grauenvoll finster. Die sonst so beweglichen, listig lächelnden Augen sind tot und fahl.
    Es dauert nur einen Augenblick,

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