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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Vater«, sagte er schnell.
    »Du lügst!« und die Hände griffen wieder zu.
    »Ich lüge nicht, Vater!« schrie Otsche. »Laß meine Arme los, Vater, ich lüge nicht.«
    Die Hände blieben um die Arme, aber sie drückten noch nicht richtig zu. »Ist die Marie hier im Haus?«
    »Nein, Vater!« schrie Otsche. »Was denkst du!«
    »Hast du sie hier im Haus gehabt?«
    »Nein, Vater.«
    »Wolltest du sie hier ins Haus bringen?«
    »Nein, Vater.«
    »Was hast du mit der Marie, daß du tust, was sie dir sagt?«
    »Ich hab mich vertragen mit ihr.«
    »So«, sagte der Bauer drohend. »So. Vertragen. Mit dem Biest, das von uns zu Schliekers rennt! Du willst ihr wohl von Schliekers forthelfen?«
    »Sie ist ja schon fort.«
    »Wo ist sie?«
    »Das sage ich nicht.«
    Die Hände packten so fürchterlich zu, daß den Jungen alle Kraft verließ, seine Beine zitterten, ihm wurde schwindlig und schlecht. Mit einer letzten Anstrengung stieß er hervor: »Lieber gehe ich in den See, Vater, wenn du mich zwingst, es zu sagen. Ich habe versprochen …«
    Der Bauer Wilhelm Gau lachte, ja, wirklich, es machte ihm Spaß, wie dieses Häuflein Kind ihm trotzte! »Wo ist die Marie?« fragte er und drückte erbarmungslos.
    Der Sohn sah den Vater mit halb geschlossenen Augen verzweifelt an. Er wußte, er würde diesen wahnsinnigen Schmerz nicht noch eine Minute länger ertragen können, gleich würde er schwatzen, verraten … Plötzlich bückte er sich und biß so wild in die eine Hand, die ihn hielt, daß der Bauer aufbrüllte und ihn losließ.
    Otsche sprang taumelnd zurück an das andere Ende des Zimmers, gerne wäre er geflohen, aber der Vater stand zwischen ihm und der Tür.
    Ungläubig sah Gau auf die gebissene Hand, aus der Blut tropfte, und murmelte: »Hat gebissen … Hat seinen eigenen Vater gebissen!«
    Der Bauer sah hoch, immer noch verwundert starrte er auf die kleinen dreizehn Jahre, die da bleich und zitternd, aber ungebrochen ihm trotzten.
    »Komm her, Otsche«, befahl er.
    Otsche sah den Vater zweifelnd an. Aber was es auch sein mochte, ob es der Klang der Stimme war oder das Aussehen des Vaters, er gehorchte dem Befehl, er ging zum Vater.
    »Du beißt deinen Vater?« fragte der.
    Der Junge sah ihn an.
    »Was denkst du, das nun wird?« sagte der Vater und hob drohend die unverletzte Faust.
    Der Junge blinzelte nicht, etwas in der Stimme des Vaters war anders geworden.
    »Was wird Küster Schlitz sagen, wenn er erfährt, er hat einen Jungen in der Schule, der seinen Vater beißt?« fragte der Bauer plötzlich spöttisch und ließ die Faust sinken.
    »Dresche«, sagte der Junge, aber in seinem Auge glomm ein Funke auf.
    »Und was würde der Vater tun?«
    »Dresche.«
    »Auch Dresche.«
    »Du weißt es also – und doch beißt du?«
    Der Vater starrte die Hand an. »Nimm ein Taschentuch aus der Kommode«, befahl er, »und bind es mir fest um die Hand. – Was willst du übrigens werden?«
    »Bauer«, sagte Otsche und suchte in der Schieblade.
    »Warum –? Weil du willst? Oder weil du der einzige Junge auf dem Hofe bist?«
    »Weil ich will«, sagte der Sohn und legte das Taschentuch um die Hand.
    »Zieh das Tuch fester!« befahl der Vater. »Also du willst nicht alles tun, was ich dir sage?«
    »N-ein …«
    »Du willst nicht sagen, wer dich aus dem Holzstall geholt hat und wo die Marie jetzt ist?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil du selbst es nicht willst.«
    »So«, lachte der Vater grimmig. »Sieht das so aus? Warum will ich es denn nicht, he –?«
    »Weil du nicht willst, daß ich meine Freunde angebe.«
    Der Vater sah nachdenklich auf den Sohn. Dann ging er langsam zum Tisch, ließ sich schwer auf der Bank nieder, stützte den Kopf in die Hand und sagte: »Geh in die Küche, laß dir von deiner Mutter ein Glas Schnaps geben. Ein Wasserglas voll.«
    Der Junge ging in die Küche, die Tür blieb halb offen, der Bauer lauschte. Die Frau fragte eilig flüsternd vielerlei, aber der Sohn antwortete kaum. Der Vater nickte.
    Der Sohn schloß die Tür hinter sich und setzte das Glas mit Korn vor dem Vater auf den Tisch. Der nahm einen großen Schluck und hielt das Glas dem Jungen hin: »Da!«
    Der schüttelte den Kopf: »Nein, danke.«
    »Warum nicht? Schnaps ist nicht das Schlechteste.«
    »Nein, ich will keinen Schnaps trinken.«
    »Überhaupt nicht?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich nicht wie die andern in der Schenke sitzen will und quatschen.«
    »Quatscht dein Vater in der Schenke?!« fragte der Bauer

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