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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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jeder spürt einmal in seinem Leben, daß die Scholle, auf die er seine Füße gesetzt hat, sein Heimatboden, seine Welt, erzittert, wankt …
    So erging es Päule Schlieker in dieser Minute – er sah alles finster, nichts war sicher, alles Bisherige umsonst getan.
    Nach einer Weile hat er die Bleß im Stallgang angebunden und die Frau von der Krippe ins Stroh gehoben. Fast ging es nicht, die Lunge keucht, die Brust schmerzt mit tausendStichen. Sie müßte ins Haus, ins Bett – aber wen könnte er zur Hilfe rufen?
    Im ganzen Dorf mit seinen dreihundert Seelen ist nicht eine, die ihm gern hülfe.
    Er muß sie schon dort liegenlassen, auf dem Stroh im Kuhstand, bis sie zu sich gekommen ist.
    Die Kühe brüllen herausfordernd, die Schweine trompeten – es hilft nichts, er muß das Vieh versorgen; er hat die Kräfte nicht, aber er muß. Er hockt unter der Kuh und melkt. Heute ist er kein guter Melker, er macht der Kuh Schmerzen, sie schlägt mit dem Bein nach dem Melkeimer und stürzt ihn um. Die Milch versickert im Stroh. Die Schwanzquaste schlägt ihm derb ins Gesicht. Wütend springt er auf und schlägt das Tier mit dem Eimer, es tritt hin und her …
    Bleich, schmerzgepeinigt hält er inne, hoffnungslos liegt vor ihm, was alles an diesem Abend noch zu bewältigen ist.
    Plötzlich steht Mali da, eine veränderte, boshafte, halb unsinnige Mali, die ihn in seiner hilflosen Wut spöttisch betrachtet: »Hübsch siehst du aus, muß ich sagen. Hat er dir schön was gegeben, der Gau –?! Recht so! Das kommt davon, wenn man zu schlau ist – du hast ihn also auch totgeschlagen? Wärst du gleich zum Gendarmen gegangen, wie ich dir sagte! Zu nichts nütze – laß mich melken!«
    Sie setzt sich unter die Kuh und strippt schon.
    Er antwortet nicht, er weiß aus den Tagen vor der Ehe, daß sie nach ihren Anfällen gereizt und boshaft ist, dann muß man schweigen.
    Er setzt sich auf die Futterkiste und möchte sich einen Augenblick ausruhen, aber über dem Melken höhnt sie weiter: »Er kam wohl grade zur rechten Zeit, der Bengel?! Was?!!! Oh, ich hätte dein Gesicht sehen mögen, du dünkst dich immer so schlau und fällst ewig rein …«
    Daß sie ihm
dies
vorhält, ausgerechnet von allen
sie
! »Wie ist er weggekommen?« fragt er und beherrscht sich nur mühsam.
    »Ja, wie ist er weggekommen, das möchtest du wissen! Spann nur gleich an, daß wir umziehen können – im Biestower Armenkaten nehmen sie uns ja wohl auf, was?!«
    Mit einem Fluch springt er hoch, schlägt krachend den Deckel zur Futterkiste auf, mengt Hafer und Hackse, schüttet den Pferden Futter.
    Aber sie läßt nicht ab, sie ist völlig des Teufels, noch nie hat sie so mit ihm zu sprechen gewagt: »Wo hast du denn das Geld für die trommelsüchtige Kuh hingelegt?! Gibst du mir auch was ab? Solch gutes Geschäft, wie du da gemacht hast!«
    »Nicht antworten«, denkt er. »Nur nicht antworten.« Er geht wortlos, um die Futterkartoffeln für die Schweine zu holen. Der Hof liegt still und dunkel, aber ihm ist, als sei bei der Hundehütte ein Schatten zu Gange. Leise und vorsichtig geht er darauf zu, das Wesen drückt sich feige an die Erde, er greift – und hat Bello am Halsband!
    Der Hund winselt, möchte fort, aber Schlieker macht ihn fest an der Kette. Siehe da, ein kleiner Anfang, ein Zeichen, daß der Wind anders weht. Schlecht nicht, nein, gar nicht schlecht. Man kann etwas daraus machen.
    Er fühlt noch einmal, ob der Hund auch wirklich fest angekettet ist, dann geht er schnell ins Haus und sucht die beiden Mardereisen. Er spannt sie sorgfältig und stellt sie so auf, daß, wer vom Tore zum Hund will, in die Eisen gerät.
    Nicht viel, aber etwas.
    Dann erst bringt er die Futterkartoffeln in den Stall.
    »Der Bello ist wieder da, ich habe ihn an die Kette gelegt«, verkündet er.
    Sie saß mürrisch unter der zweiten Kuh: »Auch was Rechtes. Ein Fresser mehr.«
    »Geh nicht an ihn ran«, warnte er. »Ich hab die Mardereisen bei ihm gestellt.«
    Sie hielt beim Melken inne, sah ihn scharf mit ihren grellen, bösen Vogelaugen an, nickte zum erstenmal wieder befriedigt mit dem Kopf und sagte: »Möglich, daß die wirklich so dumm sind.« Eine Weile später ist die Milch durchgedreht, das Vieh gefüttert, der Stall abgeschlossen.
    Er sitzt mit bloßem Oberkörper in der Stube und tastet seine Brust. Sie ist geschwollen, blutunterlaufen. »Da, faß einmal hin, Mali.« Sie fühlt, er führt ihr den Finger. »Da! Fühlst du es nicht?«
    Sie sieht ihn an.

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